Vissarion (ca. 2008)
1. Nach der Verschmelzung am Sonntag, den 7. August 2005, antwortete der Lehrer auf Fragen der Gläubigen.
2. «Wie kann man den Arbeitsvorgang genießen, wenn man sieht, dass man, realistisch genommen, Unsinn macht? Der Älteste
gibt eine Aufgabe, ich nehme sie quasi an und erfülle sie, aber ich bin
im Inneren nicht damit einverstanden, denn ich sehe, dass es möglich
wäre, diese Arbeit zwecks Zeit- und Materialersparnis einfacher zu
machen.
3. Und die zweite Frage: Ob ich wirklich durch so ein Verhalten zur Arbeit meine innere Welt falsch gestalte?»
4. «Wenn Leute zusammen sind und zielstrebig eine
Arbeit anlegen, so ist es günstig, einen Ältesten zu stellen, weil in
den Meinungen eine zu große Vielfalt herrscht.
5. Falls jedermann es so macht, wie er meint, wird
alles zerbrechen und nichts wird gebaut werden. Und es erweist sich,
dass dieser Umstand (dass ein Ältester sein muss) mit dem Sakrament des Menschen verbunden ist, es ist eine Notwendigkeit, es ist wie ein Hinweis Gottes.
6. Und wenn ein Ältester dir sagt, dass du etwas
machen sollst, aber du meinst, es sei quasi nicht ganz richtig, so
kannst du dich dazu nur richtig verhalten, wenn du darin den Willen
Gottes siehst.
7. Nicht in dem Sinne, was eben von dir getan werden
soll (man soll etwas zuwerfen - man soll nicht zuwerfen, soll man
zunageln - soll man nicht zunageln), sondern wenn du dahinter das
heilige Sakrament in seiner Erscheinung siehst - den Willen Gottes.
8. Und wenn du dich auf den Willen Gottes
konzentrierst, erscheint bei dir ein notwendiges Verhalten zu jenem
Sakrament, in dem du bist.
9. Man muss also lernen, den Willen Gottes hinter
all diesen geschäftigen Erscheinungen zu sehen und diesen sehr
wichtigen Faden nicht zu verlieren.
10. Man sieht keinen Horizont, wenn man auf das
Fensterkreuz schaut. Wenn du also auf Nagel und Hammer schaust, siehst
du das Göttliche nicht», lächelte der Lehrer.
11. «Also wenn der Mensch vieles Alltägliche und
Geschäftige erledigt, je mehr er seine Aufmerksamkeit auf diese
Geschäftigkeit konzentriert, auf dieses eigenartige materiell
verbindende Fensterkreuz, sieht er dabei jenes nicht, was sich hinter
diesem Fensterkreuz in der Ferne verbirgt. Und er wird eben immer mehr
durch diese hastige Geschäftigkeit mitgerissen, sie beginnt ihn zu
führen, er verliert den göttlichen Faden - und fertig.
12. Man darf den Menschen jedoch nicht von dieser
materiellen Geschäftigkeit befreien, durch welche er sein Leben auf
dieser Erde baut. Die Leute werden sich umeinander kümmern, sich
umeinander sorgen und sie werden immer darum besorgt sein, auf welche
Weise sie einander nützlich sein können.
13. Und natürlich, dies wird oft vor allem mit der
materiellen Geschäftigkeit verbunden sein: Etwas wird zu irgendwem
gebracht werden müssen, etwas ist für jemanden zu halten, jemandem ist
zu essen zu geben. Und ihr werdet genug an solcher Sorge haben, zumal
jetzt. Mit der Zeit wird diese sorgenvolle Betriebsamkeit abnehmen,
jetzt aber ist sie groß, jetzt hängt ihr davon ab.
14. Ihr müsst lernen, hinter all diesem das
Göttliche zu sehen. Es wäre aber primitiv, wenn ihr euch von all dieser
Geschäftigkeit abwenden würdet und versuchen würdet, davon irgendwohin
wegzugehen. (Auch in diesem Fall wäre es unmöglich, auf materielle
Werte zu verzichten, irgendeine Abhängigkeit davon wird sowieso
bleiben.) Ihr seid nicht dafür geboren, um voneinander als Einzelgänger
wegzugehen und zu Einsiedlern zu werden - sondern um eine große Familie
zu bilden. Und das bedeutet eine große Sorge umeinander.
15. Der eine hat mehr Kräfte, der andere weniger.
Der mit den wenigeren Kräften wird schneller fallen - man wird ihn
unterstützen müssen, nicht aber vorbeigehen, indem man sich auf die
Methode der natürlichen Zuchtwahl stützt: «Man ist gefallen ... man hat
keine Kräfte - so stirb, der Kräfigere soll überleben.» So sollt ihr
nicht leben.
16. Und die Sorge umeinander - das ist oft wiederum
die endlose Geschäftigkeit, die oft eben mit irgendwelchen bedingten
materiellen Werten verbunden ist.
17. Man verweilt in all diesem und versteht, dass
euer Körper die Nahrung braucht (das Getreide muss also angebaut und
geerntet werden); das Hauptsächliche bei dem Vorgang dieser Herstellung
der für euren Körper unentbehrlichen Lebensmittel ist jedoch, Gott
nicht zu verlieren und in all dem das Göttliche nicht zu vergessen.
18. Gerade durch diese Schule geht ihr jetzt. Das ist eine sehr ernste Schule.
19. Wenn ihr dabei eher von der Geschäftigkeit
mitgerissen werdet, weniger die Schriften lest, weniger Zeit dem Gebet
und der Verschmelzung widmet, weniger zu heiligen Themen sprecht, desto
schneller entfernt ihr euch von Gott, wobei ihr dies noch nicht einmal
bemerkt.
20. Ihr habt sehr viele Sorgen, ihr versinkt leicht
mit dem Kopf in ihnen. Besonders wenn ihr auf auf dem Lande und in den
Dörfern lebt, wird euch ermöglicht zu verstehen, wie viele Kräfte es
eurerseits wirklich braucht. Und wie leicht ist es, in dieser
Geschäftigkeit Gott zu verlieren! Viele unter euch beginnen bereits,
dies stark zu fühlen. Aber dies wird eine gute Möglichkeit sein, aufs
Neue das einzuschätzen, was mit euch passiert.
21. Es ist also für den Menschen wichtig, in viele
Schwierigkeiten zu geraten, um so besser zu lernen, wahrhaftige heilige
Werte einzuschätzen und zu lernen, ihnen zu folgen.
22. Derjenige jedoch, der nicht dazu neigt, sie
(die Schwierigkeiten) zu bemerken und ihnen zu folgen, wird natürlich
schneller in der hektischen Geschäftigkeit versinken und wird dabei
leise und unbemerkt zur Seite abdriften. Das aber ist seine
Lebenserfahrung.
23. Viele von euch sind hierher gekommen, ohne dass
ihr in der Regel eine geistige Erfahrung hattet. Und jetzt, Jahr für
Jahr, werdet ihr euch schulen.
24. Je höher ihr steigt, desto mehr werden junge
Leute, eure Kinder, zu eurer Wahl des wahrhaftigen Weges neigen, desto
mehr werdet ihr um euch herum diejenigen vereinigen, die nach solcher
Suche dürsten und desto stärker wird eure Familie sein.
25. Ihr werdet jetzt viel lernen müssen. Aber
dieses Lernen kann nicht wie in der Schule sein, auf der Schulbank und
während einer bestimmten Zeit, wo ihr nur Informationen bekommt, die
ihr behaltet und dann scheint es, also ob ihr etwas könnt. So werdet
ihr das nicht lernen. Dafür sind Jahre nötig.
26. Und so seid ihr auf dem Weg, wo alles durch
eure Erfahrung entschieden wird, die ihr erwerben werdet. Wo alles
durch das, was ihr sucht, bestimmt werden wird. Eben jenes werdet ihr
auch finden.
27. Und im Zusammenhang damit, was sich bei euch zu
sammeln beginnt, könnt ihr eine einfache Schlussfolgerung ziehen: Ihr
habt dies gesucht. Sammeln sich Komplikationen und Krankheiten - habt
ihr sie gesucht. Also findet ihr sie auch - bitte schön! Das ist eure
Suche.
28. Und es ist sehr wichtig zu lernen, dankbar zu
sein ... Aber wie kann man euch das theoretisch beibringen? Man
benötigt Praxis. Ihr stoßt euch in der Praxis und bedenkt aufs Neue
das, was mit euch geschieht, immer und immer wieder.
29. Lernt also, hinter der Geschäftigkeit, die ihr
jetzt unvermeidlich habt, das Göttliche zu sehen, diesen Hauptfaden
nicht zu verlieren, um dessetwillen ihr irgendwo etwas zurückgelassen
habt und zu einem anderen Ort übergesiedelt seid, wobei ihr viele
Schwierigkeiten der irdischen Arbeit auf euch genommen habt.
30. Aber ihr seid nicht in erster Linie dafür
hergekommen, um diese irdische Arbeit zu suchen (diese könntet ihr
überall finden), sondern um etwas sehr Wichtiges, Geistiges,
Wahrhaftiges und Heiliges zu finden.
31. Und im vereinigten Streben werdet ihr in euch
diese geistigen Schätze kristallisieren, sie sammeln und erwerben,
wobei ihr einander durch sehr spezifische, für euch charakteristische
Bemühungen helfen werdet.
32. Lasst uns also arbeiten und lernen, hinter
allem vor allem den Willen Gottes zu sehen. Falls euch etwas dazu
gedrängt hat, in einer bestimmten Weise zu handeln - lernt den Willen
Gottes zu sehen und nörgelt nicht an der Arbeit herum, die ihr machen
müsst.
33. Erinnert ihr euch noch an so einfache
Gleichnisse: Wenn einer jemanden in der Demut unterrichtet und er
pflanzt das Gemüse kopfüber ins Beet (das Kraut in die Erde, die Wurzel
nach oben), so soll der Lehrling verstehen, ihm zu folgen, nicht aber
nörgeln: ‹Warum pflanzen wir so? Das alles wird doch zugrunde gehen!›
34. Was haben hier logische Gedanken zu suchen? Sie
sind dann nicht mehr interessant. Eben für geistige Schätze verlieren
sie ihren Sinn.
35. Was sucht ihr denn? Bemüht ihr euch, irdische
Schätze zu sammeln? Wohin werdet ihr damit weiter gehen? Werden sie
etwa euer Leben nicht belasten? Bindet sie nicht an eure Flügel,
sondern lernt es, eure Flügel auszubreiten.
36. Also muss man lernen, immer Gott zu sehen.
Besonders wenn ihr zusammen lebt. Es ist wichtig zu lernen, sich dem
anscheinend Absurden unterzuordnen (wenn ihr zusammen etwas
entscheidet). Darin werden eure Familieneigenschaften, eure Fähigkeit,
miteinander zu sein, gebildet.
37. Doch wenn ihr stets das Eigene beweist und
einander nicht zuhört, werdet ihr so in der Gesellschaft nicht leben
können; es wird für euch schwer sein, etwas sehr Schätzenswertes
gemeinsam zu bauen. Ihr werdet nicht Eine Sprache sprechen, so wie
diejenigen im Altertum, die den Turm von Babylon nicht weiterbauen
konnten. Sie haben nichts verstanden beim Kommunizieren miteinander und
sind auseinandergegangen. So haben sie, nachdem sie in verschiedenen
Sprachen redeten, die Fähigkeit verloren, etwas Hervorragendes zu bauen.
38. Also, solange ihr einander nicht versteht -
redet ihr in verschiedenen Sprachen. Und das bedeutet, dass ihr
grundsätzlich unfähig sein werdet, etwas Ganzes, Allgemeines zu bauen.
Das ist unmöglich. Ihr werdet einfach zu einer lärmenden Schar, die nur
durch irgendwelche vorübergehenden Werte, die leicht verschwinden,
organisiert ist. Das alles ist nicht stabil und nicht ernsthaft.
39. Lernt also, Eine Sprache, die Sprache eures
Herzens, zu sprechen, die alleinige Sprache, die Sprache des Wortes
Gottes zu sprechen.
40. Diese Schule also wird auch weiterhin für euch
existieren, und ihr müsst weiterhin lernen. Aber das wird Jahre dauern.
Euer ganzes Leben. Wobei ihr nur allmählich etwas erwerben werdet, aber
eben etwas wahrhaftig Schätzenswertes. So verliert keine Zeit, jeder
eurer Tage ist sehr kostbar.»
41. «Und falls es keinen Ältesten gibt, sondern ich
arbeite selbst irgendwo und mache irgendeine Arbeit nicht
qualitätsvoll, weil sie sozusagen nicht das Gesicht des Erzeugnisses
formt und die anderen das Ergebnis nicht sehen werden?»
42. «Wenn du eine Handlung vornimmst, so ist es für
die Organisierung der inneren Welt sehr wichtig, dass du lernst, jede
Handlung interessant und schön zu machen. Man muss sich bemühen,
weniger jener Regel zu folgen, wo etwas nicht Vollendetes auf solche
Weise begründet wird: ‹Das wird ja sowieso keiner sehen!› Man sollte
besser möglichst wenige solche Begrifflichkeiten benutzen.
43. Wenn aber die Zeit euch offenbar gar nicht
erlaubt, einer Handlung mehr Aufmerksamkeit zu widmen (so viel, wie
eurer Meinung nach gebraucht würde) - dann eben gut. Ihr habt es nicht
vollendet, aber nicht, weil ihr darauf verzichtet habt, sondern es war
nötig, dass ihr etwas Größeres übernehmt, wobei das Kleinere von euch
beiseite gelegt wird, deswegen habt ihr es nämlich nicht vollendet. Es
liegt aber bestimmt nicht an eurer persönlichen Faulheit ...
44. Benutzt also eine andere Darstellungsweise. Es
gibt so eigenartigen Weisheiten im Leben der Menschen ... Es gab
Handwerksmeister, die interessante Türschlösser gemacht haben, mit
inkrustierten Oberflächen. Jemand hat ins Innere hineingeschaut, wo
noch niemand hingeschaut hatte (dort wurde nur der Schlüssel
hineingesteckt). Man sah dort, dass die inneren Seiten ebenfalls mit
Inkrustationen versehen waren. Er sagte: ‹Warum macht ihr denn dort so
eine Schmuckbearbeitung? Dort sieht es doch niemand!› Sie aber
antworteten: ‹Aber wir wissen doch, was dort ist›», lächelte der Lehrer.
45. «Das ist ihre seelische Befriedigung, so eine
besondere, geistige Befriedigung. Der Meister hat es so schön wie
möglich gemacht, er hat gelernt, seine Liebe zum Ausdruck zu bringen,
er lernte, poetische Züge seiner Seele in jeder Handlung auszudrücken.
Das also ist sein inneres Lied.
46. Versucht deshalb immer, jede Arbeit so weit wie
möglich interessant zu machen, wie klein sie auch sei. Eine andere
Sache ist es, wenn die Zeit knapp ist ...
47. Viele Leute verhalten sich oberflächlich zu
ihrer Arbeit. Sehr oberflächlich! Und solange ihr es nicht
fertigbringt, eine notwendige Verantwortung für das Getane in eurem
Inneren zu haben, seid ihr nicht imstande, etwas Gutes zu schaffen.
Weil ihr in eurer Zusammenarbeit alles sehr oberflächlich macht.
48. Solange ihr kein persönliches Interesse an
einer Handlung verspürt, macht ihr sie oft sehr oberflächlich, und dies
zerbricht vieles. Eure Handlungen haben sehr viel von dieser
Oberflächlichkeit. Man muss also lernen, anders zu sein.
49. Also, ihr seid bis jetzt noch keine Hauswirte
in diesem Leben. Ihr seid wie Gäste, die von einem Ort zum anderen
ziehen: Ihr seid gekommen ... habt das, was man euch gibt, benutzt;
gibt man euch nichts, geht ihr zu einem anderen Ort, etwas zu benutzen.
50. Ihr seid nicht gewohnt zu schaffen, ihr seid
nicht gewohnt, dafür verantwortlich zu sein, was um euch herum ist und
was etwas sehr Wertvolles ist und durch eure Fähigkeiten, Kräfte und
euren Geist unterstützt werden muss. Diese Eigenschaften des Hausherren
müssen von jedem von euch entwickelt werden.
51. Und wenn jeder von euch mehr oder weniger
diesem notwendigen Niveau der Besitzerqualitäten näherkommt, so werdet
ihr im Ganzen mit eurem großen Umfang eine gute qualitätsvolle Familie
bilden, sie wird sich auf natürliche Weise bilden.
52. Jetzt aber seid ihr noch sehr unterschiedlich,
ihr habt keine Besitzerqualitäten. Und diese innere Vielstimmigkeit
lässt es nicht zu, dass ihr euch zu Einer Familie vereinigt. Ihr seid
vielzählig, aber ihr seid einfach eine Schar. Eine Schar, die durch
eine gemeinsame Losung vereinigt ist. Nichts weiter! Es ist bis jetzt
schwierig, sich auf euch zu stützen.
53. Deswegen lernt mutiger; lernt vernünftig, viele
Erscheinungen in eurem Leben zu durchdenken und vieles kritisch zu
betrachten; lernt, keine Zeit zu verlieren. Das ist sehr wichtig.»
54. «Lehrer! Ich habe den Haushalt ohne Mann
geführt, dies brachte mich zu körperlicher und psychischer Spannung.
Daher habe ich auf die Ziegen verzichtet, damit meine Arbeit leichter
werde. Es wurde wirklich leichter. Ist dies wohl ein Zeichen meiner
Schwäche?»
55. «Ich weiß nicht. Gerade du solltest dies einschätzen.
56. Wenn der Mensch etwas nicht bewältigt, so
reichen ihm seine Kräfte nicht. Was heißt das: "Schwäche"? Das bedeutet
den Mangel an irgendwelchen Kräften.
57. Wenn du sagst: ‹Ich habe es schwer, ich schaffe
es nicht› - ob das wegen der Schwäche ist? Wer wohl könnte dir darauf
eine Antwort geben? Wegen der Stärke wird es doch nicht sein?
Verzichtet man auf etwas wegen der Stärke, etwa wegen des Überflusses
an Stärke? So etwas kommt nicht vor. Deine Frage klingt also komisch.
58. Ob es in Wirklichkeit deine Faulheit ist oder
nicht - das sollst gerade du einschätzen. Du schätzt doch ein, was du
kannst und was du nicht kannst. Das soll nicht von Mir beurteilt werden.
59. Ich kann es zusätzlich einschätzen, wenn du Mir
deine genauen Motive nennst. Aber Ich denke, dies ist auch nicht nötig,
denn ob es Faulheit oder Mangel an Kräften wäre, kann der Mensch
selbstständig einschätzen. So schau selbst, ob du es wirklich nicht
bewältigst.
60. Du sprichst von der psychischen Müdigkeit ...
Oft entsteht die psychische Müdigkeit von dem nicht richtigen
Verhältnis zur Arbeit, zu Handlungen, die ringsum vorkommen. Auch eine
große körperliche Belastung führt zu psychischer Müdigkeit.
61. Soviel Ich aber sehe, seid ihr vor allem müde
wegen eurer nicht richtigen Beziehung zu den Ereignissen. Ihr
erschreckt euch einfach selbst, ihr schafft falsche Bilder und ihr
werdet dadurch zerbrochen, wobei aber diejenigen, die gewohnt sind, so
zu leben, nicht zerbrochen werden.
62. Ihr könnt immer die Parallele zu den Leuten
ziehen, die auf dem Lande geboren sind und hier stets leben - seht auf
sie. Das ist eine gute Möglichkeit zu sehen, wie viel der Mensch
bewältigen kann. Wenn sie größere Haushalte bewältigen, so habt ihr
doch diese Kräfte potenziell, auch ihr könnt dies bewältigen.
63. Aber ihr seid es nicht gewohnt, ihr seid darin
nicht erzogen worden. Wenn ihr also diese Arbeit seht, beginnt ihr,
euch selbst psychisch zu überanstrengen, ferner sind Ausbrüche und
Müdigkeit da. Aber ihr selbst treibt euch in diese Müdigkeit.»
64. «Und wie findet man diese Grenze in der rechten Weise? Man kann nämlich den Haushalt unterschiedlich führen ...»
65. «Schau selbst, damit es dem, was du machst,
nicht schadet. Wenn du Ziegen hast, sie aber nur einmal jede zweite
Woche fütterst, so wäre dies für die Ziegen natürlich ungünstig - es
wäre dann sinnlos sie zu halten. Obwohl du noch sagen könntest: ‹Oh,
ich bringe es noch fertig, Ziegen zu halten!› - sie aber würden in
einem Monat wegen Unterernährung sterben.
66. Anscheinend kannst du sie freilich halten,
sozusagen; denn die Tatsache, dass sie bei dir irgendwo im Stall
verschlossen sind, heißt, dass du sie anscheinend schon hältst. Aber
sie müssen gefüttert werden, usw. Und all dies muss man abwägen: Du
musst sehen, was du zu tun imstande bist, ob deine begrenzte
Aufmerksamkeit dem schaden wird, in Beziehung auf das, auf was du deine
Sorge zu richten versuchst.
67. Sieh, schätze ein ... Diese Grenze kann nicht
bildlich ausgedrückt werden. Das ist eine bildhafte Frage. Und die
Ziegen brauchen konkrete Nahrung, nicht aber ein bildhaftes
Herantreten. Wie alle übrigen ...»
68. «Lehrer, es gibt solche Begriffe in der
Schrift: "der schöpferische Geist" und "der Geist der Handlung".
Verstehe ich richtig, dass der Geist grundsätzlich eine Energie ist,
die auf eine besondere Weise Information trägt? Darf man genauer davon
erfahren, was der Geist der Handlung und was der schöpferische Geist
bedeuten? Und wenn man zum Beispiel das Lernen bei einem
Handwerksmeister betrachtet - welche Schritte des Lehrlings und des
Meisters beim Weitergeben dieses Geistes wären am richtigsten?»
69. «Besser wäre es, nicht so zu sprechen. Versucht
in diesem Fall etwas in der Schrift Ausgedrücktes zu betrachten und zu
analysieren ... Versucht anders zu betrachten, nicht aber mit Fragen
solcher Art. Macht euer Verhalten zum Leben einfacher.
70. Wenn du ein Handwerksmeister bist und nicht
weißt, was und wie du etwas dem Lehrling weitergeben sollst, so stellst
du die Frage: ‹Darf ich etwas so und so tun?› Dann wäre es eine andere
Sache.»
71. «Ist es richtig, wenn der Lehrling den Hinweisen des Meisters in absoluter Weise folgt?»
72. «Unbedingt! Wenn du bei einem Meister lernst, dann musst du dem folgen, was er dir sagt.»
73. «Und sich auch mit der inneren Welt des Meisters verschmelzen?»
74. «Das wäre nicht richtig, sich mit der inneren
Welt zu verschmelzen. Denn die innere Welt des Meisters hat nicht nur
das Schöpferische, sie hat nicht nur positive Momente. Es gibt dort
eine Menge davon, womit man sich besser nicht verschmilzt», lächelte
der Lehrer. «Es wäre besser, dieses woanders hinzugießen ... in das
Abflussrohr. So soll man also nicht verschmelzen.
75. Wenn im Inneren des Meisters wirklich eine
schöpferische Flamme brennt, wird er seine Ladung sofort auf denjenigen
übertragen, der mit ihm Umgang hat oder einfach mit ihm kommuniziert.
Du wirst an dir unvermeidlich diese schöpferischen Ströme verspüren,
die er ausstrahlt.
76. Ist er energievoll und tatkräftig, wird er die
anderen anstecken. Du wirst neben ihm sein und spüren: du willst auch
etwas tun. Sein Zustand wird alles Notwendige übertragen, und da wird
ein Ziel schon nicht mehr nötig sein.
77. Aber wenn der Meister anders ist, also je
weniger bei ihm von seinem schöpferischen Potenzial wie Feuer brennen
wird, desto weniger wird er natürlich diejenigen anstecken, die neben
ihm in seinem Lebensraum sind.
78. Hier muss man also nicht einfach etwas erlernen
und zielstrebige Bemühungen ansetzen, um etwas weiterzugeben. Dies
geschieht von selbst. Alles hängt von dem Menschen ab.
79. Lernt, in eurem Inneren immer das Feuer der
Handlung anzuzünden! Denn der Lehrling, bei dem von diesem Feuer auch
das eigene Feuer entflammt wurde, kann neben dem Meister sein, bei dem
es sich gerade nicht so rasch schaffen läßt. Dies kann bei dem Meister
"zurück anzünden", und wird ihn zu größeren Handlungen bewegen, zu
größerer Arbeitsgeschwindigkeit und Beweglichkeit.
80. So müsst ihr auf diese Weise, durch euren
Wunsch, schöpferisch zu schaffen, einander unterstützen; gerade diesen
Wunsch muss man entwickeln. Dann könnt ihr in vielem dieses
schöpferische Feuerchen unterstützen.»
81. «Lehrer! Wenn die Arbeit zuende ist und jemand
den Kehricht liegen läßt, entsteht bei mir immer der Wunsch, so zu
sagen: ‹Man soll nach der Arbeit aufräumen. Brauchst du ein
Kindermädchen?› Aber dabei entsteht bei mir ein innerer Zweifel, ob ich
dies überhaupt sagen soll ...»
82. «Wenn du siehst, dass aufgeräumt werden soll, ob dann den Nächsten gesagt werden soll, dass sie auch daran teilnehmen?»
83. «Ja, ja. Wenn der Mensch nach seiner Arbeit Kehricht hat liegen lassen.»
84. «Das beste Beispiel wäre, wenn du schweigend anpackst und alles mit Vergnügen für alle aufräumst.»
85. «Für alle, ja? Gut.»
86. «Das wird das beste Beispiel sein.»
87. «Danke.»
88. «Einfach mit Vergnügen, was auch auf deinem
Gesicht zu sehen sein wird. Du strahlst dies aus. Du kannst es einfach
nicht erwarten, dass die Arbeit beendet ist und du mit einem Lied
beginnst, für alle aufzuräumen - dies wird einfach wunderbar.»
89. «Lehrer, ich habe mich zuerst mit der Malerei
beschäftigt; das war interessant für mich. Dann vertiefte ich mich in
die Bildhauerkunst und sah, dass der Stein gründlicher als andere
Materialien ist: Er ist so imposant und hält sich länger. Und die
Malerei ... sie ist sozusagen vergänglich. Was ist das? Gründet sich
darauf der Egoismus, dass mein Schöpfertum in Steinen eben für
Jahrhunderte bleiben wird?»
90. «Ja, ja. Hier wird eher der Egoismus funktionieren.
91. Man muss sich dazu so verhalten, wie man sich
in einigen östlichen Religionsbewegungen verhält, wo man das Mandala
mit Sand zeichnet, das heißt, mit dem Farbensand ein schönes heiliges
Muster aufschüttet. Und nachdem das Muster fertig gestellt ist, wird es
bald ganz weggefegt. Und es musste mühsam, mühsam mit diesem Sand
gezeichnet werden ...
92. Das Werk also kann sowieso nicht ewig sein, jedenfalls, und du musst nicht dieser Ewigkeit anhängen.
93. Denn wichtig ist hier dein Lied. Du kannst es
wohl einmal im Wald schön gesungen haben, von ganzer Seele. Niemand hat
dich gehört, doch deine Seele hat sich gefreut. Du hast Gott gerühmt,
du hast die Schönheit deiner Seele ausgedrückt - und das ist dann
prachtvoll! Das hat deine Seele gesungen, das heißt, sie ist
aufgeblüht. Und gerade dies ist das Wesentliche.
94. Und wenn du dich um etwas Nebensächliches
kümmerst - wie etwas von dir verewigt werden wird - so gehst du schon
nicht mehr in die richtige Richtung; du kümmerst dich mehr um deinen
Ruhm ...»
95. «Lehrer, ich habe versucht, all dies zu
verstehen. Aber wenn ich den Weg neben den Steinen entlanggehe, und sie
sind so groß, so mächtig, so rührt es mich an ... Und gleich von Anfang
an wollte ich mich mit ihnen beschäftigen. Sie sind sehr interessant
und attraktiv. Verstehst Du?»
96. «Prachtvoll! Ist ja prima, etwas aus Stein zu
schaffen! Aber dich soll nicht irgendeine Haltbarkeit für die Ewigkeit
leiten, sondern einfach in diesem Moment ist der Stein für dich
interessant, und du willst in ihm dein Lied singen. Also bitte, singe!»
97. «Ich habe nämlich gedacht: Warum zieht mich
gerade der Stein an? Vielleicht, weil er nach mir als Bestätigung
bleibt, dass ich im Leben etwas geschafft habe? Und irgendeine
Befriedigung entsteht daraus, dass irgendwo dies alles steht, und groß
und gründlich, lange bleiben wird ... Ich habe überlegt und überlegt,
warum habe ich eigentlich das Malen aufgehört? ...»
98. «Nun, du hast es einfach nicht richtig eingeschätzt.»
99. «Ich habe wohl doch entschieden, dass dies gründlicher ist ...»
100. «Gerade diese innere selbstständige Einschätzung ist wichtig. Eben nur der Mensch selbst muss dies abwägen.
101. Wenn du siehst, dass der einzige Grund darin
liegt, dass die Malerei nicht ewig ist, so ist das natürlich nicht
richtig. Denn so nimmst du eine nicht wahre Orientierung im
Schöpferischen vor. Und es ist wichtig, eben dieses Lied auszudrücken -
deine Phantasie und dein inneres Erlebnis.»
102. «Bei mir erscheint noch etwas: Wenn ich mich
erst einmal der Bildhauerei hingegeben habe, fällt es mir sodann sehr
schwer, wieder zur Malerei überzugehen.»
103. «Das ist nicht so schlimm. Wenn du dich
weiter in eben diesem Umfang nach der Bildhauerkunst sehnst - so bitte
sehr. Das heißt, jetzt hast du deine Zeit eben in diesem Gebiet, und
sie wird irgendwann in etwas anderes überfließen.
104. Es wird also nicht ewig so sein. Wenn nicht
in diesem Leben, so in einem anderen; du wirst jedoch unbedingt in ein
anderes Flußbett des Schöpferischen hineingehen.
105. Wenn sich das menschliche Leben mit der Zeit
immer weiter und weiter ausbreiten wird - und das Schöpferische ist
eine wichtige Komponente, die Hauptkomponente in eurer Entwicklung,
denn durch das Erschaffen müsst ihr den euch umgebenden Raum verändern
- so bedeutet das nicht, dass ihr euch während eurer Lebensjahrhunderte
immer nur mit der Bildhauerkunst beschäftigen werdet. Nein.
106. Dies lässt eure vielseitige Entwicklung vermuten, wenn ihr euch von Zeit zu Zeit in ein anderes Flussbett umstellen werdet.
107. Und es wird zu guter Letzt dazu führen, dass
ihr alles können werdet. Und dieses Können wird sich bei euch in einem
sehr hohen Maße zeigen. Das heißt, ihr seid vielseitig ...»