Die Frage einer Frau:
Wenn mein Mann morgens aufwacht, habe ich das Bedürfnis, ihm einen guten Morgen zu wünschen, ihn zu umarmen und zu küssen. Ist es richtig, wenn ich mich vor allem von meinem Wunsch leiten lasse, seine Umarmung zu spüren, und dass er mich küsst, oder muß ich meine Gefühlswelt danach ausrichten, was vor allem ich ihm geben will, dass ich ihn küssen und umarmen will?
Vissarion:
Das Betonen der Aufmerksamkeit auf Erwartungen dieser Art ist unvermeidlich mit dem Auftreten von Bedrängnissen verbunden, welche durchaus zu ernsten negativen Folgen führen können, denn nach und nach, je mehr sich entsprechende negative Empfindungen zeigen, desto mehr wird sich eure gegenseitige gefühlsmäßige Zuneigung abkühlen.
Indem ihr eure Wünsche zu sehr in den Vordergrund stellt, aktiviert ihr eine bestimmte Gesetzmäßigkeit, die eure Beziehung zerstören kann. Und wenn ihr auch etwas Gutes wünscht, so könnt ihr dennoch dadurch etwas zerstören.
Dieser euer Wunsch wird sich bei einem falschen Verhältnis zu ihm unweigerlich zu einer Forderung entwickeln. Kein Wunsch wird sich mit der Zeit in gleicher Weise äußern; entweder er verschwindet allmählich, oder er wird stärker, wobei sich bei euch gleichzeitig eine Forderung nach Befriedigung eures Wunsches entwickelt.
Normalerweise führt ein unbefriedigter Wunsch nur zu einem begrenzten Maß harmloser Unzufriedenheit; eine unbefriedigte Forderung äußert sich jedoch durch ein negatives Verhalten demjenigen gegenüber, von dem ihr die Befriedigung erwartet. Eine unbefriedigte Forderung verursacht die Entstehung einer Reihe bildhafter negativer Phantasien im Bezug zu eurem Nächsten, mit dem ihr viel zusammen seid und von dem ihr vieles erwartet, was einigermaßen gefährlich für euer gegenseitiges Verhältnis sein wird.
Mehr noch: man kann diesen unkontrollierbaren Bereich der Bekundung eurer Wünsche, zum Beispiel zu eurem Mann, leicht mit Hilfe eurer Freundinnen verstärken, oder dadurch, wie ihr gegenseitige Beziehungen in Spielfilmen erlebt, wo ihr etwas kennenlernt, was euch gefällt, was es aber in euren ehelichen Beziehungen nicht gibt. Je mehr und je öfter ihr eure Forderungen gegenüber eurem Mann äußert, desto mehr werdet ihr unvermeidlich von etwas verstimmt sein, was normalerweise für den Mann überhaupt nicht charakteristisch ist, und ihr werdet immer mehr das psychologische Gift von Forderungen versprühen.
Ich denke, dass es unter diesen Umständen angebracht ist, ein kleines Gleichnis anzuführen, wo ein Mensch zu Buddha sagte: “Ich will das Glück. Wie kann ich es finden?” Und Buddha antwortete, man muss zuerst das “Ich” beseitigen, denn das ist der Egoismus, und danach muß man “will” beseitigen, denn das ist das Verlangen. Und geblieben ist allein das Glück!
Aber natürlich - wie ich in vorherigen Artikeln schon erwähnt habe – wird es auf keinen Fall für den Menschen richtig sein, sich von allen Wünschen befreien zu wollen, und für sein geistiges Heranreifen ist es sogar schädlich; aber seine ursprünglich egoistische Gefühlswelt umzugestalten, oder mit anderen Worten gesagt, sie zu veredeln, das ist für den Menschen lebenswichtig. Denn gerade die übermäßig allgemein vorhandene egoistische Wahrnehmung der realen Ereignisse ist auch der Ursprung - man möge mir verzeihen - aller wahnwitzigen Forderungen und sinnloser Dummheiten, die man erfolglos auf „hoher” Ebene durch die Verabschiedung aller möglicher Gesetzgebungen zu lösen versucht.
Bezüglich eurer egoistischen Wünsche müsst ihr eine erhöhte Achtsamkeit an den Tag legen. Das Erscheinen eines Wunsches an sich ist ein normales Sakrament und hängt meistens mit eurer angesammelten Lebenserfahrung zusammen, in der sich irgendwelche beeindruckenden Augenblicke eingeprägt haben, die mit anregenden angenehmen Gefühlen verbunden sind. Das, was euch gefallen hat, wird von euch natürlicherweise auch weiterhin so lange erwünscht sein, bis irgendetwas die bisherigen angenehmen Empfindungen trübt.
Hauptsache, ihr legt nicht eure besondere Aufmerksamkeit auf genau die Notwenigkeit, Wünsche dieser Art zu befriedigen, denn wenn ihr das dermaßen betont, wird der Wunsch zu einem Leitmotiv, das eure vitalen Bemühungen korrigiert! Und das ist der direkte Weg zu allen möglichen Alltagsproblemen und überflüssigen Leiden! Wenn ihr den entstandenen Wunsch nicht derart kräftig betont, dann wird er sich in einer normalen Rahmen bewegen, und wenn er nicht befriedigt wird, dann wird er nur zu einer harmlosen Unzufriedenheit führen, die eure Psyche in keiner Weise beeinträchtigen wird.
Wenn ihr aber doch eine derartige Überbetonung zulasst, dann wird sich der bekundete Wunsch in euch aktiv zu einer Forderung entwickeln; und die unbefriedigte Forderung wird unvermeidlich eine Unzufriedenheit hervorrufen, die mit euch zugefügten seelischen Wunden vergleichbar ist. Und das hartnäckige Verfolgen einer derartigen Forderung wird im Laufe der Zeit eindeutig zu immer größeren Wunden führen, mit zusätzlichen immer heftigeren negativen Folgen wie Reizbarkeit, Bosheit und so weiter!
Ich meine es ist angebracht zu sagen, dass die gegenseitigen Beziehungen aller Ehepaare gerade auf der Basis hartnäckig geäußerter, absolut unangebrachter gegenseitiger Forderungen zerstört werden! Und diese Forderungen entwickeln sich aus scheinbar völlig harmlosen und normalen gegenseitigen Wünschen, wobei das erscheinende ernsthafte Problem ganz und gar nicht sofort erkennbar wird. Darum bemüht euch vor allem, eure segensreichen Qualitäten richtig zum Ausdruck zu bringen, und konzentriert nicht eure Aufmerksamkeit auf die Erwartung einer vergleichbaren Äußerung seitens eures Nächsten.
Die Frau ist aufgerufen, das Informationsfeld eines gewissen begrenzten Raumes, in dem Kinder zur Welt kommen und erzogen werden, auf eine besondere Weise zu veredeln, während der Mann aufgerufen ist, ein vergleichbares Feld im äußeren Lebensbereich zu verändern. Und wenn der Mann in den Raum zurückkehrt, wo sich die Atmosphäre einer normalen Frau und Mutter ausbreitet, so verspürt er vor allem das Bedürfnis, sich mit dem Geiste dieses Raumes zu füllen, was leicht zum schnellen Wiederherstellen seiner Kräfte und zum Herstellen von Bedingungen beitragen wird, unter denen der Mann bemüht sein wird, die Frau mit seinem Geiste anzufüllen.
Ein normales Verhalten der Frau in diesem Fall ist ihr vorrangiges Bestreben, den Mann mit ihrer Fürsorge zu umhüllen, wobei sie dadurch erfreut wird, dass sich ihr Mann durch diese Fürsorge zum eigenen Wohle verwandelt. Indem die Frau dem Mann hilft, seine Kräfte normal wiederherzustellen, ist sie an seinem Schaffen mitbeteiligt, wobei, je bedeutender die erschaffende Tätigkeit des Mannes ist, desto bedeutender auch ihre Teilnahme ist!
Wenn aber der Mann beim Eintreten in den für ihn teuerwerten Raum schon an der Türschwelle in die Atmosphäre an ihn gerichteter Forderungen nach Aufmerksamkeit gerät, damit die Frau nicht zufällig gekränkt ist oder sich etwas Streitsüchtiges ausdenkt, dann wird die Atmosphäre dieses Raumes der Unversehrtheit der gegenseitigen Verhältnisse zwischen dem Mann und der Frau, die an diesem Platz wohnen, eindeutig schaden!
Obwohl es auch solche Verhältnisse gibt, die eine besondere Seite des menschlichen Wesens betrifft, unter denen, sogar wenn es der Frau gelingt, eine wunderbare wohltuende Atmosphäre herzustellen, der Mann dennoch weiter auf der Suche ist. Aber das sind schon Bedingungen, wo der Mann vorläufig noch keine normale geistige Atmosphäre verdient, das heisst, normale wohltuende Bedingungen können seinem geistigen Werden sogar schaden.
Darum, wenn so ein Sucher das wahrlich Gute im Stich läßt, wird er in schwierige gefühlsmäßige Umstände gelangen, die für ihn lehrreich sein werden. Es lohnt sich nicht, diesen Mann festzuhalten, denn, wenn er nicht die nötige Weisheit und geistige Reife erringt, dann könnt ihr mit ihm zusammen grundsätzlich nicht interessant und wohltuend leben. Einander nur aus Angst vor dem Alleinsein festzuhalten, das ist ein gefährliches Bestreben! In so einem Fall werdet ihr einander mehr schaden, als helfen.
Dieselbe Gesetzmäßigkeit zeigt sich genauso in der anderen Richtung, wo sich die Frau der Atmosphäre, die der geistig stärkere Mann um sich herum zu erzeugen vermag, als nicht würdig erweist. Und dann, auf der Suche nach Befriedigung falscher Gefühlspräferenzen wird die Frau unvermeidlich beständig in viel schwierigere Lebensumstände geraten, die ihre mangelhaften Erkenntnisse erweitern sollen.
Da man aber unmöglich die Zeit anhalten kann, und die äußerliche Veränderung nicht in die vorteilhafte Richtung verläuft, gerät die Frau sehr schnell in Verhältnisse, wo die Wahrscheinlichkeit des Alleinsein groß ist. Deswegen seid wachsam bezüglich der Äußerung von Wünsche dahingehend, dass euer Nächster etwas machen soll, denn diese Wünsche können schon leicht in ein “er muss etwas machen” übergehen! Genau danach beginnt die Zeit, wo eure gegenseitige Beziehung zunehmend zerstört wird! Ihr könnt diesen Verlauf der Zerstörung nicht anhalten, solange nicht in euren gegenseitigen Äußerungen der Begriff “er muss“ oder „sie muss” verschwindet.
Lernt einander anzunehmen, so wie ihr seid!
Zu lernen, den Nächsten richtig zu verstehen, ist ausschließlich nur dann möglich, wenn das “muss” ihm gegenüber verschwindet.
In der Harmonie sollte vieles ausgeglichen sein, deshalb, wenn ihr von eurem Nächsten das fordert, was normalerweise aus völlig natürlichen Gründe zu tun vorläufig noch nicht fähig ist, dann sollt ihr unbedingt darauf gefasst sein, dass euch gegenüber auch eine Forderung erhoben wird, welcher zu entsprechen ihr nicht imstande seid. Dann habt ihr auch das klassische Startsignal, von dem ab die Auseinandersetzungen beginnen! Denkt daran, dass, wenn ihr euch gegenseitig auf der Gefühlsebene erwählt, ihr das füreinander wirklich Notwendige finden werdet!
Lernt mit dem realen Menschen zu leben, nicht aber mit einem Phantasiebild von ihm.