Ihr könnt nur euch selbst Schaden zufügen, und keinem anderen
1. Sibirien, Kurágino, den 30. März 1996. Die die Wahrheit Liebenden kamen in Erwartung des Menschensohnes in den unvollendeten Sportkomplex gelaufen und gefahren.
2. Die kalten Märznächte hatten den großen Raum durchfrieren lassen, der doch nicht zum Sportkomplex geworden war: die Zeit hatte die Vollendung des Baus gestoppt.
3. Die Menschen hatten zwar eine Sporteinrichtung gebaut, die Zeit aber wusste, dass der Bau kein solcher werden würde, sondern sie unter seinem Dach auf Jenen warten würde, Der nur einmal in Jahrtausenden kommt.
4. Am Vorabend des Treffens mit dem Lehrer hatten die Anhänger den großen Saal mit Heizlüftern erwärmt, und die zementgraue Wand war mithilfe eines Vorhangs zu einer Kamillenwiese "erblüht".
5. Zur angekündigten Zeit füllte sich der Saal mit zahlreichen Gotteskindern, die mit Freude das Treffen mit dem Menschensohn erwartet hatten. Psalmengesang erfüllte den Raum.
6. Der Lehrer stieg auf ein kleines Podium und es erklang ein Wort, das zum "Lehrbuch" für all jene wurde, die dem Lehrer in Seinem Jahr folgten (nach dem chinesischen Tierkreis - Jahr der feurigen Ratte - Anm. d. Übersetzers. Siehe auch V6,3,43). Und die Lernenden selbst nannten dieses "Lehrbuch" "Anleitung für den richtigen Umgang mit der Realität". Vissarion berührte in Seinem Wort viele Seiten des Lebens und fasste das Wichtigste zusammen, was schon auf der letzten Reise gesagt worden war.
7. In dem umfangreichen Wort wurde unter anderem gesagt: "Alle Prozesse in der Gesellschaft, alle menschlichen philosophischen Systeme stützen sich auf nur ein Fundament - die Beziehung zum Tod. Von ihr gehen alle anderen Gedankengänge aus, durch sie formen sich sowohl die Politik, als auch die Wirtschaft, sowie jegliche Abzweigungen der menschlichen Suche. Alles führt zu Einem Punkt.
8. Und folglich, je richtiger sich der Mensch zum Tod seines Körpers verhält und überhaupt zu diesem Gesetz, desto richtiger kann er seine weitere Existenz aufbauen, seine Verhaltensregeln und ethischen Normen.
9. Der Mensch stirbt aber nicht deshalb, weil alles schlecht ist, sondern man muss ihn einfach im gegebenen Moment vor dem Fall zurückhalten, man muss ihn davor retten, dass er nicht vieles ringsumher und in sich selbst zerstört, damit er nicht endgültig stirbt.
10. Der Tod, der nach eigenen Gesetzen und nicht nach euren Wünschen kommt, kommt immer richtig. Er ist normal, er rettet den Menschen.
11. Ihr habt nicht das Recht, jemandem das Leben zu nehmen, und ihr habt auch nicht das Recht, euch selbst das Leben zu nehmen. Doch wenn der Tod schon unabhängig von eurem Wunsch und von eurem Bestreben kommt, so nehmt ihn als natürlich entgegen.
12. Verhaltet euch zu diesem normalen Gesetz wie zu einem Gesetz, das den Menschen rettet. Das ist eine sehr wichtige Erscheinung, sie ist sehr wichtig für jene, mit denen sie vonstatten geht.
13. Und in der Regel ist die Träne, die bei euch aufsteigt, wenn der Nächste den Körper verlässt - eine Träne um euch, denn ihr möchtet nicht, dass es so sei, wie es ist.
14. Ihr möchtet, dass es so sei, wie ihr es seht, wie ihr es für richtig haltet. Und die Verletzung dieses von euch aufgestellten 'richtigen' Gesetzes, ruft bei euch eine schmerzhafte Verwirrung hervor.
15. Es gibt auf der Erde keine zufälligen Tode, sie sind schon lange vor dem Augenblick ihres Eintreffens vorauszusehen."
16. "Man kann das Schicksal seines Nächsten nicht mit Zwang beeinflussen, das ist unmöglich.
17. Verlangt nicht irgendeine Veränderung in seinem Leben. Veränderungen in seinem Leben muss er verstehen, und nur er selbst kann sie vornehmen.
18. Ihr müsst lernen, alle so anzunehmen, wie sie sind. Diese schwierigen Augenblicke sind wundervoll, das sind Lektionen, die ihr benötigt."
19. "Wenn die Welt schwierig ist, zeugt das davon, dass der Mensch vorerst noch schwierig ist."
20. "Es gibt keine schlechten Ereignisse. Ein schlechtes Ereignis ist - wenn ihr zielgerichtet den Willen Gottes verletzt, das ist jenes, was euch selbst zerstört.
21. Ihr könnt nur euch selbst Schaden zufügen, und keinem anderen.
22. Ihr könnt beim Fall des Nächsten behilflich sein, doch das bedeutet nicht, dass ihr ihn gezwungen habt, zu fallen.
23. Und wenn ihr normal zu leben beginnt und ihr den Willen Gottes erfüllt - werdet ihr euch immer gegenseitig Schläge versetzen, ob ihr das wollt oder nicht, und ihr werdet gegenseitig nur kranke Stellen berühren. Und wenn der Nächste lernt, diese Stellen zu erkennen, so wird er gerettet werden.
24. Deshalb, wenn euch jemand einen Schlag versetzt, und ihr empfindet dadurch Schmerz, so rettet euch dieser 'Jemand', er rettet euch nur.
25. Er selbst braucht das nicht zu verstehen, weil er nach irgendwelchen eigenen Prinzipien gehandelt hat, er hatte sein eigenes Ziel. Doch in Wirklichkeit hat er euch die richtige Bewegungsrichtung gezeigt, er zeigte euch, wo man einen Sieg über seine Schwierigkeit suchen muss."
26. "Euren Schritt nur anhand von äußeren Erscheinungen richtig einzuschätzen, ist sehr schwer.
27. Wenn ihr, im Bestreben einen aufrichtigen, rechtschaffenen Schritt zu tun, ungewollt etwas zerstört habt - so beruhigt euch, alles, was geschehen ist, ist in Ordnung. Die Brücke ist eingestürzt, damit sie nicht eines Tages zusammen mit dem Zug einstürzt. Das bedeutet, dass ihr mit eurem aufrichtigen Schritt viele Menschen gerettet habt.
28. Doch ihr kennt den weiteren Ablauf der Dinge nicht, die Kette vieler Situationen, die mit der einen oder anderen Erscheinung verbunden ist. Deshalb bewertet das Ereignis nicht vorschnell nach irgendwelchen äußeren Tatsachen.
29. Doch wenn ihr einen unaufrichtigen Schritt gemacht habt, so lasst euch nicht durch die süßen Früchte dieses Schrittes in Versuchung bringen. Das wäre ein riesiger Fehler, er führt zu einer Serie ernsthafter Katastrophen und Tragödien, die sich natürlich auf euch auswirken werden."
30. "So wie ihr es für richtig haltet, entsprechend der von euch angenommenen Wahrheit, so sollt ihr auch handeln, und so wird es auch richtig sein. Denn dann werdet ihr immer gerade das tun, was von euch erwartet wird: zwar nicht einen idealen Schritt, sondern eben das, was ihr zu diesem Zeitpunkt, in dieser Situation und bei der Begegnung mit diesem bestimmten Menschen tun solltet.
31. Wenn ihr so fähig seid, Schritte zu tun, müsst ihr gleichzeitig auch fähig sein, die Schritte eurer Nächsten anzunehmen, was für einen Schmerz euch diese Schritte auch bringen mögen."
32. "Erwachsene quälen sich deshalb, weil sie sehr viel über das Leben nachdenken und es erörtern und Methoden zur Überwindung von Hindernissen suchen.
33. Kinder aber denken darüber nicht nach, sie überwinden einfach die Hindernisse: leicht, im Spiel, in der Phantasie, in der Vorstellung. Sie leben einfach und kennen keine Schwierigkeiten, für sie ist es nur interessant zu leben.
34. Erwachsene ermüden durch ihre eigenen Schritte, durch ihre eigenen Errungenschaften, sie sind zu ernst, Ernst aber ist kein Kriterium für Weisheit.
35. Seid leicht, seid luftig, seid beflügelt, liebevoll. Euer Herz soll lachen. Singt ein Lied, lacht schallend, Freude soll immer mit euch sein.
36. Sonst werden die Blumen, die ihr pflanzt, ziegelsteinähnliche Köpfe haben. Wenn man solch eine Blume zufällig streift, kann man sich das Bein aufschlagen.
37. Ihr aber wollt eine Stadt bauen, ihr wollt eine neue Gesellschaft bauen, sie aber baut sich auf Lächeln auf."
38. "Ein gläubiger Mensch, der all seine Kräfte auf die Überwindung von Hindernissen richtet, bekommt immer das, wovon er nicht ausreichend hat, und dann werden die Hindernisse überwindbar.
39. Da er aber all seine Kräfte hingegeben hat, werden sie anwachsen, und er wird in der Lage sein, neue Stufen zu überwinden, indem er erneut all seine Kräfte ohne Rückhalt hingibt."
40. Zum Ende des Treffens las Vissarion eine niedergeschriebene Frage an Ihn vor und lächelte: "Eine interessante Frage, eine lakonische Frage: Was bedeutet: mit der Wurzel ausreißen?"
41. Der Saal, der nicht nur einmal am heutigen Tag die Antworten des Lehrers mit einem gesunden Lachen entgegengenommen hatte, erschallte in lautem Lachen, ohne die Antwort des Lehrers abzuwarten.
42. "Man kann darauf nur eines lakonisch antworten: fester zupacken und ziehen!", sagte Vissarion.