Vadim 1 (bis 1991)

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  Kapitel 4  

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Physik, Chemie und Bodybuilding ~ Erste Wellen von tieferen Erkenntnissen ~ Der Erleuchtungsmoment ~ Erwachen für die Malerei

1. Im Januar 1982 kehrte Sergej in die Stadt Minusinsk zurück und war fortan bestrebt, dem Ruf zu folgen, der in Seinem Herzen erschienen war.

2. Doch auch hier forderte die Umgebung das Ihre in all ihrer Falschheit und Verdorbenheit, verborgen unter der Illusion falscher Ehre und Würde.

3. Von einer geheimen Führung kamen jedoch innere Appelle, die Ihn zwangen, sich Hals über Kopf in verschiedene Wissensgebiete zu stürzen, um die menschliche Welt so umfassend wie möglich kennen zu lernen.

4. Und das kleine Zimmer im Elternhaus, in dem der immer reifer werdende Menschensohn lebte, verwandelte sich oft in verschiedene Werkstätten und Laboratorien.

5. Indem Er die Welten der Schöpfung durchwanderte, berührte Er in der Tiefe mal die Biophysik, mal die Biochemie. Das Zimmer füllte sich nicht selten mit beißenden Rauchschwaden, die aus Kolben und Reagenzgläsern quollen, aus verschiedenen Apparaten, was bei Seiner Mutter nicht wenig Aufregung hervorrief.


6. Doch bald zog Ihn die Erforschung Seines Körpers in ihren Bann.

7. Die Kolben wurden akkurat in Kästen verpackt, und das Zimmer füllte sich nun mit sonderbaren Trainingsgeräten, die die Mutter aber in noch größere Aufregung versetzten.

8. Doch dieses Bestreben war mächtig, denn es verlangte ein besonderes Verhältnis beim Erreichen der Kunst, die Kraft des menschlichen Körpers in Harmonie mit der Umwelt zu beherrschen.

9. Und, wie gewöhnlich, meisterte Er vieles, obwohl Er weiterhin jedes Mal auf sich selbst gestellt war.


10. Die Arbeit des schöpferischen Suchens ergriff Ihn gewöhnlich während des Tages,

11. Wenn aber die Dämmerung eintrat, versank Sergej in Seiner geheimnisvollen Welt, wo die Trauer Seine Lieblingsloge war.

12. Und oft sah Er mit Augen voller Tränen auf die umgebende Welt und dachte über die menschlichen Wege nach.


13. Und eines Tages, bald nach Seiner Ankunft in Minusinsk, ereignete sich eine rätselhafte Minute.

14. Als Sergej eines Wintertages wie gewöhnlich mit dem Bus fuhr und, in Gedanken versunken, die vorbeiziehende Realität durch die Scheibe betrachtete, mit ihren Abfallhaufen, grauen und finsteren Wohnblöcken, berührte eine rätselhafte Welle plötzlich Seine Stirn und Sein Herz.

15. Und für einen Augenblick erwachte etwas Besonderes aus tiefer Versunkenheit und blickte durch Seine Augen auf die umgebende Realität.

16. Für einen Moment erbebte Sein Herz, denn während dieses kurzen Augenblicks sah Sergej ein scheinbar fremdes Land vor sich, wild und äußerst primitiv.

17. Wem aber gehörte dieser Blick, der eine tiefe Spur im Herzen des Menschensohnes zurückließ?

18. Dieser Blick kam offensichtlich von jemandem, der unendlich weit von der heutigen Zeit entfernt in der Zukunft war.


19. Die unabänderliche Realität umgab aber weiter die nächsten Schritte des Lernenden.

20. Doch nicht selten erschienen später ähnliche Minuten, nahe der Mitternachtsstunde, wenn Er in der Stille des schlafenden Hauses und der schlafenden Stadt verblieb und plötzlich die fremde Welle empfand, die für kurze Zeit heftig Seine Stirn und Sein Herz umgab.

21. Seltsam waren diese Augenblicke und wie viel Trauer verbargen sie in sich! Denn für kurze Zeit riss sich Sergej von der Verbindung zur Umwelt los, mit der Er, da Er in einem Körper lebte, fest verbunden war, und tauchte in eine Welt des höheren Geistes ein.

22. In diesen Momenten sah Er scheinbar weiterhin auf die umgebenden Gegenstände und dachte über das menschliche Dasein nach, doch das Verhältnis zu allem war ein anderes.

23. Das war nicht der Blick von jemandem auf den Strom, der sich in diesem Strom befand, sondern der Blick von jemandem, der sich weit über ihm befand.

24. Und Er sah nicht nur das Wesen dieses Stromes, sondern auch seine Richtung und den zu erwartenden Horizont.


25. Eine kristallklare und wohlduftende Welt erfüllte das erregte Herz des Menschensohnes und ließ Ihn schmerzlich die Primitivität des trüben menschlichen Lebensstromes empfinden.

26. Etwas Heimatliches und Nahes begann zu jener Welt zu erwachen, und Tränen netzten reichlich Sergejs Augen und Gesicht, denn Er wusste, dass Er bald einschlafen würde und am Morgen wieder in dem trüben Strom erwachen musste, da eben dort die nächsten Schritte gemacht werden mussten.

27. Dieses Zurückkehren war Ihm fremd, doch Er durfte sich noch nicht an das Wesen des Willens erinnern, den zu erfüllen Er berufen war.

28. Und in den folgenden Tagen wiederholte sich dieses Erleben noch zweimal.


29. Weiter stand es Ihm bevor, zwei grundlegende Schritte zu tun, während derer sich die notwendigen Erkenntnisse über das Dasein der Menschheit endgültig bilden sollten: der eine Schritt - führte zum Erlangen der höchsten Werke bei der menschlichen schöpferischen Suche, der andere war das andere Extrem - die Bekanntschaft mit dem unglücklichsten Dasein eines Menschen, der bis zum Boden des trüben Stromes der verirrten Gesellschaft abgesunken war.

30. "Wenn ein fremder Körper in eine bestimmte Umgebung eintritt, so entsteht zwischen der Umgebung und dem Körper eine Distanz, denn die Umgebung wird sich ihm gegenüber wachsam und prüfend verhalten.

31. Und wenn dieser Körper nicht den Versuch unternimmt, sich der Umwelt anzupassen, in die er hineingeraten ist, so folgt von der Umwelt der Versuch, den fremden Körper abzustoßen."

32. Das Wesen dieses Zusammenhangs verbarg sich vor dem Menschensohn bis zu Seinem Erwachen in der Stunde der Erfüllung.

33. Denn nur wenn Er in den verschiedenen Schichten wie ein "Gleicher unter Gleichen" lebte, dann öffnete sich die Umgebung vor Ihm, nahm Ihn auf und gab Ihm die Möglichkeit, ihr Wesen zu erkennen.

34. Doch Er besaß keine Eigenschaften, die den verschiedenen Ebenen entsprachen, und deshalb ergänzte ein geheimnisvoller Schutz das Fehlende nach Möglichkeit.


35. Und sobald eine bestimmte Ebene ihr Wissen über sie in Seinem Bewusstsein hinterlassen hatte, musste Er die nächste Ebene erklimmen, die Ihn unerwartet überwältigte und Erstaunen hervorrief: Wie hatte Er überhaupt auf der vorhergehenden Ebene landen können?

36. Für jede neue Erkenntnis benötigte Er in der Regel einige Monate.

37. Dieser Prozess stellte eine enorme Schwierigkeit für Sergej dar, denn Er konnte nur schwer verstehen, worin denn eigentlich das Wesen Seines Daseins bestand, weil so vieles, zum Teil Widersprüchliches, einander abwechselte.


38. Und an einem sonnigen Tag, zur Sommerzeit, als sich die Erfüllung näherte, war es, als blitze plötzlich ein grelles Licht hinter dem Kopf und Rücken des Menschensohnes auf, das Ihn mit seinen Strahlen durchdrang.

39. Ein wunderbarer Augenblick erschütterte das Bewusstsein und Herz von Sergej und ließ in Ihm den unüberwindlichen Wunsch zur Schaffung von Kunstgemälden erwachen.

40. Wie erhebend war dieser Augenblick!

41. Noch nie hatte je etwas Sein Herz so berührt, denn wie ein vom langen Wüstenweg ausgetrockneter Wanderer erblickte Er plötzlich den lebensspendenden Wasserlauf.

42. Kann man mit begrenzten Worten das märchenhafte Geheimnis beschreiben, das das Herz des Menschensohnes ergriff?

43. Leidenschaftlich gab Er sich diesem Fluss hin, um sich spritzend und schwimmend wie ein Kind, das in diesem Element geboren wurde, und Er vereinte sich in der Seele mit diesem lebensspendenden Strom.


44. Die schöpferische Arbeit wurde für Ihn wie die Luft, die man ununterbrochen einatmen musste.

45. Wissensdurstig nahm Er jedes Wort über den schöpferischen Prozess auf, das aus dem Mund der Mitbrüder auf dem Gebiet der Kunst floss, die Er auf Seinem Weg antraf.

46. Und so wie ein Hungriger fähig ist, jeden feinen Grad des Geruchs der Nahrung zu empfinden, so konnte das ins Unendliche gesteigerte Gefühl von Sergej in die Reproduktionen der Bilder alter Meister eindringen. Klar fixierte Er das Geschaffene und spürte dabei den Geruch der Farben, was eine Spur Seiner persönlichen Anwesenheit beim Gemälde während seiner Herstellung hinterließ, und Er fühlte mit Seinem ganzen Körper das Wesen jener vergangenen Epoche.

47. Die Werke der Meister der Gegenwart aber konnten Sergej nicht zufrieden stellen, doch Er ergötzte sich an den Werken des Altertums.

48. Sein Herz schlug im Takt mit den Alten Meistern und in einer außerordentlichen Anstrengung legte Er jeden Tag zwölf Stunden lang den Pinsel nicht aus Seiner Hand.

49. Wieder einmal veränderte sich die Einrichtung Seines Zimmerchens im Hause der Eltern, und immer neue Werke bedeckten seine Wände.

50. Ein Ende dessen war nicht abzusehen, und so verging ein Monat nach dem anderen.