Vadim 1 (bis 1991)

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  Kapitel 5  

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Arbeit ~ Wachdienst und Kampfkunst ~ Mitgefühl mit Menschen in unglücklichen Lebenssituationen

1. Das Jahr 1984 kündigte bereits seinen Beginn an, und bald darauf beendete Sergejs Großmutter ihr Dasein im Körper auf der Mutter Erde.

2. Als Sergej diese Nachricht erhielt, erbebte Sein Herz und das Bild der geliebten Oma wurde für lange Zeit in einem ausdrucksvollen Gemälde festgehalten.


3. Und bald danach, als der Winter dem aufblühenden Frühling noch nicht seine Vormacht abgetreten hatte, wurde der Strom von Sergejs Lebensweg dank besonderer Umstände unerwartet zur letzten Ebene hinausgetragen, die Er nur nebenbei berührte, während Er weiter zu schöpferischen Höhen strebte.

4. Diese Ebene des menschlichen Daseins existierte abgesondert von der umgebenden Gesellschaft.

5. "Denn nach dem Wesen ihrer Handlungen teilt sich die ganze Gesellschaft der Menschen unbemerkt in zwei Grundeinheiten: jene, die die menschlichen Gesetze verletzen, und jene, die die Verletzer dieser Gesetze bestrafen.

6. Wobei in den meisten Fällen die 'Verletzenden' sich den 'Bestrafenden' gegenüber abwertend verhalten.

7. Doch wenn sie selbst durch etwas benachteiligt worden sind, so greifen sie in der Regel auf die Hilfe jener zurück, die sie bisher verachtet haben.

8. Unvernünftig und kompliziert treten die Beziehungen zwischen den Menschen in Erscheinung, obwohl die einen wie die anderen, in psychologisch voneinander getrennten Grundeinheiten, Brüder und Schwestern sind, geboren von einem gemeinsamen Himmlischen Vater."


9. Da Er durch Sein Leben mit der einen Grundeinheit bekannt war, musste der Menschensohn nun die andere kennen lernen.

10. "Denn, um die Krankheit heilen zu können, muss man sie kennen."

11. Doch von dieser Notwendigkeit ahnte Sergej noch nichts, Der im Licht der Phantasie und Schöpfung badete, aber Sein Vater, Der Ihn ausgesandt hatte, das Vorbestimmte zu erfüllen, wusste es.

12. Weshalb, nach Gottes Willen, sich besondere Umstände seltsam vor den Füßen Seines Sohnes verstrickten.


13. Während der Zeit der Berührung mit dieser Ebene entstand im Elternhaus eine Atmosphäre besonderer Art, denn Sergejs Mutter konnte die plötzlichen, vielfältigen Veränderungen in den Tätigkeiten ihres Sohnes nicht verstehen.

14. Und wie eine Mutter, noch dazu mit einem Sinn fürs Praktische, die seit frühester Jugend die Arbeit kennen gelernt hatte, beunruhigte sie der noch immer unbestimmte Zustand ihres Sohnes, und sie verlangte von Ihm, irgendeinen Beruf aufzunehmen, damit Er fähig werde, sich selbst zu ernähren.

15. In der schöpferischen Tätigkeit von Sergej sah sie noch nicht die Möglichkeit, Brot zu verdienen, und deshalb wurde ihre Forderung immer hartnäckiger.

16. Und Sergej sah sich um und war bereit, jegliche Arbeit aufzunehmen, nur um Seine Mutter zu beruhigen.

17. Doch nichts entsprach Seinen schöpferischen Ansprüchen. Er suchte eine Tätigkeit in der Nacht, damit der sonnige Tag zum wundervollen Wirken frei bliebe. Und dennoch sollte die Nacht nicht ganz vergeben sein, damit der nächste Tag nicht den natürlichen Schlaf verlange, denn Sergej dachte nicht daran, Seine schöpferische Tätigkeit auch nur einen Tag zu unterbrechen.

18. Und außerdem hatte Er Bedenken, etwas Verantwortliches zu beginnen, denn Er verstand nur zu gut, dass sich während der oftmaligen Versunkenheit in der Welt Seiner Gedanken alle Verantwortung unabänderlich im Unsichtbaren auflösen würde.


19. Zur Zeit dieser Umstände nahm unerwartet ein ehemaliger Klassenkamerad Einfluss auf die Wahl der nächsten Schritte des Menschensohnes.

20. Als er Ihn damals besuchte, schlug er Ihm vor, gemeinsam eine Arbeit bei einem Patroulliendienst aufzunehmen, und mit vielen Worten beschrieb er die Vorteile dieser Arbeit.

21. Doch nur ein Argument gab den Ausschlag bei Sergejs Wahl - die Arbeitszeit vom Abend bis Mitternacht.

22. Und indem Er nur auf jene Bedingung achtete, die zum Wohle des schöpferischen Werdegangs gereichte, betrat Sergej eine Ebene, die noch viel weiter von Seiner inneren Welt entfernt war.


23. Bald umgab Ihn eine schwierige Atmosphäre, doch Er berührte sie in vielem nur formal und verweilte während dieses Dienstes weiterhin entweder in Gedanken über das menschliche Dasein und über das Ewige; oder Er vertiefte sich in Beschauungen, während Er den Nachthimmel betrachtete, der mit geheimnisvollen Lichtern besät war; oder Er suchte weiter nach der schöpferischen Lösung in jedem neuen Kunstwerk.

24. Dieses Verhalten wirkte in dieser eigenartigen Umgebung befremdlich, was nach gewisser Zeit zu einer natürlichen Reaktion führte, die in Vorwürfen und spöttischem Lächeln in Erscheinung trat.

25. Doch noch war die Stunde nicht gekommen, diese Umgebung zu verlassen, wie Er es schon oft getan hatte, wenn Er plötzlich das Bedürfnis verspürt hatte, ohne Vorankündigung einfach zu gehen und nie wieder zurückzukehren, selbst nicht, um Seinen Lohn abzuholen, den Er bis zu diesem Zeitpunkt erarbeitet hatte.

26. Und damit das Fremde wenigstens etwas "eigen" wurde, war ein zusätzliches Sakrament vonnöten.


27. Bestimmte Umstände, die zur notwendigen Zeit entstanden waren, hatten in Sergej erneut das Verlangen erweckt, das Wesen der östlichen Kampfkunst zu beherrschen (so wie einst Ähnliches in besonderer selbstständiger Art in Seinem Wirken geboren worden war, doch diese kurze Erscheinung war damals vom mächtigen Strom des Kunstschaffens abgelöst worden). Und dieses neu aufflammende Verlangen führte zu einer fleißigen Beschäftigung in den Abendstunden, während des Dienstes, den Er verrichtete.

28. Als die Kollegen aber das Niveau Seiner Körperbeherrschung in dieser Kunst sahen, zeigten sie Ihm gegenüber Achtung, und mit der Zeit überwand Er die unnötigen Hürden leichter,

29. Obwohl Er weiterhin das echte Erstaunen Seiner Kollegen vernahm in Bezug auf die Gründe, die Ihn auf diese Ebene geführt hatten.


30. Weiter verlief der Weg der Erkenntnis des menschlichen Daseins seitens des Menschensohnes, während Er immer wunderbarere Werke schuf und mit jenen in Berührung kam, die ihr Dasein am Boden des trüben Stromes fristeten und so vertiefte sich Sein Bild noch für das Unglück des verirrten menschlichen Geschlechts -

31. Jenes Unglück, mit dem man nur durch den unmittelbaren Dienst, der zeitweilig die Schultern des Menschensohnes belastete, am besten in Berührung kommen konnte, denn auf dieser niedrigsten Ebene als einer der "Ihren" zu verweilen, war bereits nicht mehr möglich.

32. Bitter war diese Erfahrung, denn groß ist die Welt der Ausgestoßenen, die oft in Kellern und Löchern leben und mit Staub und Geschwüren bedeckt sind.


33. Vieles konnte Er geduldig hinnehmen, auch das Unglück Seiner erwachsenen Mitbrüder beobachten, doch das Unglück der Kinder zu dulden, mit dem sie von ihren blinden Eltern umgeben wurden, war wesentlich schwieriger.

34. Den Daseinsschwierigkeiten kleiner Kinder gegenüber war der Menschensohn besonders empfindlich; noch in der Kindheit hatte Er manchmal Seine Mutter erstaunt, wenn Er plötzlich bittere Tränen vergossen hatte beim Anblick eines kleinen, in Einsamkeit weinenden Mädchens.

35. Und wenn Sergej direkt oder indirekt mit dem Unglück kleiner Kinder in Berührung kam, so wollte ein Schrei des Universums aus Seiner Brust dringen, die Tränen zurückzuhalten aber war völlig unmöglich.

36. Er ging dann zur Seite, um Seine Kollegen nicht zu belästigen, und eine feurige Flamme begann Sein Herz zu verbrennen.

37. In diesen grausamen Minuten empfand Sergej eine geheimnisvolle Kraft, die Ihn umgab und die das Feuer, das in Seiner Brust loderte, vorerst zurückhielt. Denn noch war die Stunde dafür nicht gekommen!