Vadim 4

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  Kapitel 8  

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Vissarion erläutert verschiedene Träume

1. In einer der Februarnächte hatte Vadim einen Traum. Und er sah, dass der Lehrer Festkleider anlegte, neue Kleider, und der Himmel öffnete sich über Ihm zu einem sonnigen Tag, und das gewaltige Meer schäumte zu Seinen Füßen.

2. Die vorhergehenden Kleider aber übergab der Menschensohn in die Hände des Schülers, damit er sie trüge ...

3. Am Morgen erzählte Vadim dem Lehrer seinen Traum. Und Er hörte sich die Erzählung des Schülers aufmerksam an und lächelte in Gedanken versunken.

4. "Es naht die großartige Zeit, die neue Zeit, wo die Wahrheit den Kaiserthron besteigen muss", sagte der Lehrer ...


5. In den neuen Februartagen kamen junge Leute aus Udmurtija und aus Wotkinsk.

6. Innerhalb eines Jahres hatte einer von ihnen sieben Mal ein und denselben Traum gehabt: es würde eine große Hungerszeit beginnen, aber eine an einem bestimmten Ort entstandene Gemeinschaft teile sich das Brot, und in ihrem Gebiet stehe alles voll Roggen.

7. "Jetzt haben wir in Udmurtija den Grund und Boden eines verlassenen Dorfes gepachtet, wo früher Altgläubige gewohnt hatten und wir wollen versuchen, dieses Land, das uns im Traum erschienen ist, auf die Beine zu stellen. Doch einen Tempel (Kirche - Anm. d. Übers.) hat man uns in diesem Gebiet nicht gezeigt", sagte Alexej aus Wotkinsk.

8. "Der Tempel - das sind eure Herzen, das ist ein geistiger Begriff.

9. Wenn ihr mit der Errichtung einer Gemeinschaft beginnt, so zerstört den Tempel in euch nicht.

10. Ob ihr etwas Äußerliches schaffen könnt - nicht darin besteht das Eigentliche. Die Hauptsache ist - in sich etwas zu erschaffen", erwiderte der Lehrer.


11. Und Tanja aus Kiew kam zu Vissarion und meinte: "Manchmal ist es sehr schwer, irgendetwas quält einen."

12. "Je richtiger man zu leben beginnt, umso mehr beginnt das Unrichtige, das in einem steckt, sich hartnäckig zu verteidigen ..."


13. "Ich kann nicht sagen, ob ich mich verändere!?", fragte Violetta, die Freundin Marias, die aus Orenburg nach Minusinsk gekommen war.

14. "Siehst du etwa, wie das Gras wächst? Deine Entwicklung wirst du mit Meilensteinen messen, die dir zeigen werden, dass du früher in einer Situation anders gehandelt hättest ..."


15. Eine junge Frau fragte: "Wenn eine Person etwas nicht ganz Gutes über einen anderen Menschen sagt und sich über ihren Mann, ihre Probleme und Erlebnisse ausschüttet, soll man ihr dann Einhalt gebieten?"

16. "Wenn ein Mensch sich negativ äußern möchte, so soll er es tun. Denn das ist besser, als diese Gefühle in sich kreisen zu lassen.

17. Während du ihn anhörst, sei bestrebt, ihn mit der Wärme deiner Seele zu umhüllen, und erst dann, wenn er fähig ist, zuzuhören, berichtige ihn", antwortete der Lehrer.


18. Sascha aus Riga erörterte im Gespräch mit dem Lehrer das Leben der Gemeinschaft und sagte unter anderem: "Jetzt übt man in der Gemeinschaft einen Druck auf Menschen mit intellektuellen Anlagen aus. Es wiederholt sich die Vergangenheit - die Apostel waren einfache Fischer, es kam zu einer Trennung von denen, die die Schrift kannten. Das Unverständnis und die Trennung aus der Vergangenheit bleiben auch jetzt erhalten.

19. Ein bisschen bedrückt das Verhalten von Sergej dem Ältesten, man fühlt eine sklavische Abhängigkeit. Wie kann man den Menschen helfen, mit der Arbeit zu beginnen?"

20. "Sascha, sieh her", sagte der Lehrer und hielt ihm Seine offenen Handflächen hin. "Es gibt einen Bach und es gibt eine Quelle, doch man kann sie nur von einer Seite her erreichen.

21. Dann tritt ein Mensch zum Bach und beginnt, ihm irgendetwas zu erzählen. Hinter ihm aber stehen Leute, die ihren Durst stillen wollen.

22. Der Redner muss durstig sein, dann erst wird er seinen Durst stillen.

23. Und denke an das, was du selbst tun musst, nicht was die anderen tun müssen ...


24. Ich bewege Mich weiter voran. Und Ich möchte, dass ihr Mir folgt.

25. Das Niveau der Überlegungen - das ist eine grobe Erscheinung.

26. So ein Mensch kann, wenn er in eine Märchenwelt eintritt, mit einem unvorsichtigen Schritt etliche wunderbare Schlösser zerstören, ohne es zu wollen."


27. Wladimir der Jakute erzählte dem Lehrer seinen Traum. Ihm war so gewesen, als hätte Vissarion ihm gesagt: "Es wird Zeit, Wolodja, eine Wand zwischen uns zu stellen." Und als der Lehrer dies gesagt hatte, hatte Er sich abgewandt und war eingeschlafen.

28. Es waren Leute gekommen und mit ihnen die Geschäftigkeit, und keiner von ihnen hatte Christus bemerkt.

29. Dieser Traum beunruhigte Wladimir, und er bat den Lehrer, ihn zu erklären.

30. "Was trennt den Stein, der auf dem Boden des Flusses liegt, vom Beobachter, der in den Fluss sieht? Der Strom trennt ihn. Das hineinströmende Chaos hat dich und den Schlafenden getrennt.

31. Man kann, wenn man sich von den Erscheinungen des Lebens hinreißen lässt, auf Geschäftigkeit und Durcheinander stoßen - das ist die Wand, die stört, sich der Wahrheit zu nähern", erwiderte der Menschensohn.


32. Andrej aus der Stadt Nabereshni Tschelni, der gerade zusammen mit den Brüdern das Tempelhaus in Malaja Minusa baute, sagte: "Am Anfang stürmte ich hierher, nach Minusinsk, mit immensem Verlangen und Freude. Jetzt bin ich hier. Die Freude blieb, doch nicht so groß. Es ist zu spüren, dass es zu wenig ist, sich hier nur aufzuhalten."

33. "Am Anfang war das Bestreben, in diese Welt einzutauchen. Jetzt aber lebst du in ihr.

34. Weiter aber - muss man schwimmen. Wenn du dich hineingestürzt hast, so schwimme", antwortete Vissarion.


35. "Lehrer, sage mir zwei Sätze zu meiner Rettung", wandte sich mit leiser Stimme Andrej aus Woronesh an den Menschensohn.

36. "Deine Rettung ist, eine rechtschaffene Arbeit zu finden und nur an sie zu denken. Das waren die Sätze", erwiderte der Lehrer.


37. Ein Mann aus St. Petersburg fragte: "Was sollen die Menschen in der normalen Gesellschaft tun? Können auch sie die Wahrheit erfüllen?"

38. "Viel kann man nicht erfüllen, wenn man sich in der normalen Gesellschaft befindet.

39. Wenn die Wahrheit erfüllt wäre, gäbe es diese Gesellschaft gar nicht.

40. Doch man muss mit allen Kräften danach streben. Und es wird das kommen, was kommen muss", sagte Vissarion.


41. Es kam eine aufgeregte Frau, der Blick - unruhig, nervös: "Ich habe Angst um meinen Sohn ... Rauschgift, Wildheit, Besessenheit, Grausamkeit und nur Fünkchen von Menschlichkeit ... Sein Vater wurde dreimal wegen Gewalttätigkeit verurteilt, jetzt sitzt er im Gefängnis. Unser Sohn ist außerehelich geboren ..."

42. "Jetzt nur ihn zu retten, das wäre dem gleich, Wasser aus dem Sumpf zu schöpfen, ohne den Fluss, der ihn speist, abzuleiten. Man muss beim Vater und bei dir beginnen", war die Antwort.


43. Und der Lehrer sagte in diesen Tagen in Seinen Antworten auf viele Fragen: "Wenn du beginnst, über negative Gedanken zu grübeln, die du über einen anderen Menschen hegst, erst dann schaden sie diesem Menschen. Doch nicht schon dadurch, dass sie zu dir kommen."


44. "Zuerst muss man das Gemeinsame erfassen und erst später die Details sehen.

45. Wenn du dich im Gemeinsamen weiter und weiter bewegst, wirst du genauer und tiefer erkennen.

46. Doch alle beschäftigen sich mit Details, ohne das Gemeinsame erreicht zu haben."


47. "Das Schlimmste ist, bewusst das zu tun, was von der Wahrheit verboten wurde,

48. Denn ein zielgerichteter, negativer Gedanke zerstört zwar das Feine, die materielle Handlung aber zerstört das Grobe und führt den Schlag aus.

49. Wenn der Mensch aber mit dem aufrichtigen Gedanken, etwas Gutes zu tun, zerstört, so geht nur die grobe Zerstörung vonstatten.

50. Das unberührte Feine jedoch stellt schnell das Grobe wieder her.

51. Eine zielgerichtete, negative Einwirkung aber führt zu einer sofortigen Gegenreaktion seitens der verletzten feinen Hülle."


52. "Jeder Gegenstand, jeder Körper der Umwelt, hat eine Informationshülle genauso wie auch euer Körper.

53. Jeder Gegenstand ist lebendig, weil er genau so eine Wesensstruktur hat wie euer Körper.

54. Wenn ihr euch einem Baum nähert mit dem Begehren, ihn zu fällen, so wird seine Hülle zerstört.

55. Ihr braucht den Baum gar nicht abzuholzen - er verdorrt und stirbt von selbst, denn ihr habt sein feines Gewebe zerstört.

56. Alles hängt von der Kraft eures negativen Impulses ab."


57. "Da sich der Vater in Harmonie mit der Schöpfung befindet, so gibt Er die Gesetze, deren Erfüllung es dem Menschen erlaubt, sich in Harmonie mit der Schöpfung zu befinden."


58. "Das Wasser der Quelle fließt und strömt in seinem Bett voran. Alle anderen müssen sich an der gewaltigen Strömung ausrichten und nicht das Flussbett zu verändern suchen."


59. "Einst sagte der Mensch: 'Wozu brauche ich Gott, ich kann auch vieles selbst', und schlug sich die Stirn auf, obwohl er wirklich zu vielem fähig ist."


60. "Die Wahrheit offenbart sich in Fleisch und Blut, ähnlich dem menschlichen. Und sie unterliegt folglich denselben Gesetzen.

61. Und wenn die Wahrheit einen Schritt macht, dann bedeutet das, dass auch ihr vorwärts schreiten könnt.

62. Und wenn die Wahrheit lächelt, so bedeutet das, dass auch ihr lächeln könnt."


63. "Es ist unwichtig, ob du den Gipfel, der sich vor dir aufrichtet, überwindest; wichtig ist, wie du es machst."


64. "Wenn du dich zum Gipfel bewegst und siehst, dass dir acht Stufen verbleiben, so wirst du nur für diese acht Stufen Kräfte aufwenden.

65. Doch wenn vor dir Nebel ist, wirst du viel mehr Kräfte aufwenden.

66. In diesem Prinzip ist ein wahrer Wert enthalten: Lerne, vorwärts zu streben, indem du alle Kräfte einsetzt, und nicht, indem du irgendwelche Abmessungen und Umfänge aufstellst."


67. "Schütte deine ganzen vergangenen Erfahrungen aus dir heraus, denn dort befindet sich nichts als Lügen und Selbstmitleid. Und fülle das Gefäß mit reinem Wasser, mit Lebenswasser."


68. Alexej aus Podsinska, einer jener Schüler, die als erste in Moskau die Vollziehung von ganzem Herzen angenommen hatten, fragte: "Muss man denn alles nur sanft berühren und laufend daran denken, Wärme hinzugeben?"

69. "Wenn du ein reines, leuchtendes Verhältnis zur Umwelt hast, so wirst du immer alles berühren, indem du die Wärme deiner Seele hingibst, ohne darüber nachzudenken", sagte der Lehrer.


70. An einem der Tage des endenden Winters kam zum Lehrer Anatolij aus Chabarowsk. Er trug den Spitznamen 'der Gärtner', denn er hatte den ständigen und ungebrochenen Wunsch, Gewächshäuser zu bauen und Gärten anzulegen und auch viele Ideen, die man in der Praxis nicht ausführen konnte.

71. Tolja kam oft zum Lehrer mit neuen Plänen und dem Gefühl, dass ihn seine Nächsten nicht verstünden.

72. An diesem Tag sagte er: "Komm, Vissarion, reden wir. Ich kenne die Wahrheit. Aber ich möchte gern mit Dir einfach nur sprechen wie mit einem nahestehenden Menschen. Das gibt es sehr selten."

73. "Sieh Tolja", sagte der Lehrer, "es fließt ein Bächlein. Du verspritzt Wasser aus diesem Bach, hinter dir aber steht man mit ausgetrocknetem Mund Schlange, weil man sehr durstig ist."


74. Auf den letzten Treffen im Februar wurde vom Lehrer gesagt: "Man muss es jetzt schaffen, sich selbst zu vereinfachen bis hin zur eigenen Seele, man muss es schaffen, so schnell wie möglich in die Gesetze des geistigen Daseins einzutreten und zu werden wie die Kinder.

75. Wenn ihr euch in der rechten Weise wie ein Mensch entwickelt, könnt ihr auf alles, was euch in den Kopf kommt, vollendet reagieren. Doch vorerst ist dem noch nicht so.

76. Um nicht durcheinander zu geraten, wurde euch eine Arbeit gegeben, bei der ihr lernen müsst, den Kopf zu benutzen, indem ihr das erfüllt, was von Gott gegeben wurde, indem ihr an dieser Arbeit hängt, schöpferisch nur an sie denkt und mit den Gedanken an sie einschlaft.

77. So in der Arbeit versunken werdet ihr nicht greifbar für äußere Einflüsse auf euer Bewusstsein.

78. Es genügt, wenn ihr stehen bleibt und in Gedanken versinkt - schon wird man euch zu einem Zustand der Nutzlosigkeit führen, der Nichtigkeit, und der Gedanke an Selbstmord erscheint.

79. Das geschieht jetzt überall mit Millionen von Menschen, selbst mit jenen, die bereits lernen, die Wahrheit zu erreichen.

80. So erkennt das euch Gegebene. Vieles wurde euch bereits gesagt, doch leider verwirklichen nur wenige das Gesagte."


81. "Nicht mit einem großen Kopf, der mit viel Wissen gefüllt ist, beginnt die Weisheit, sondern im Herzen, das von wunderbarem göttlichen Segen übervoll ist."


82. "Das Herz offenbart sich in jenen Taten, die einem unter die Hand kommen.

83. Wie viel Verstreutes, wie viel nicht Geerntetes ... Lohnt es sich, das Große zu erörtern, wenn die Ernte bevorsteht? Nimm und ernte es.

84. Zu ernten gibt es vieles. Doch Handelnde gibt es noch viel zu wenige. Vermehrt euch und erlernt diese Arbeit. Das ist ein großer Segen."