Vissarion weiht das Symbol im Zentrum der Stadt ein
1. Der Himmlische Wohnsitz in der Nacht des 31. Dezembers 1997. Sterne im Dunstschleier des Raureifs. Der geschnitzte Glockenturm mit einem vierzehnzackigen Stern auf der Spitze der Kuppel erwartet die Glocke.
2. Der Lehrer befestigte zusammen mit Sergej dem Ältesten, dessen Sohn Alexander und Vadim vor Mitternacht die Glocke am Glockenturm in fünfzehn Augenblicken, die mit Minuten beschrieben wurden.
3. Christus segnete die Glocke, indem Er Seine Hände auf sie legte. Die Schüler ließen sich mit einem Beben im Herzen auf die Knie nieder. Die Nacht stand still. Das Weltall beobachtete das Geschehen mit dem silbrigen Funkeln der winterlichen Sterne.
4. Der Lehrer kniete am Fuß des Glockenturms nieder, in einem Sakrament, das nur Ihm bekannt war ...
5. Als die Augenblicke Mitternacht schlugen, berührte Er den Klöppel mit dem ehemaligen Gürtel Seines Gewandes, der heute zur Glockenschnur geworden war, und über der Welt erklangen zwölf klare Laute, die den Beginn der märchenhaften Zeitlosigkeit verkündeten. Christus verkündete diese Tage.
6. Nach der erfüllten Stille wandte sich Vissarion an Sergej: "Serjosha, achte am beginnenden Tag auf das Fasten ... Und es soll in diesen Tagen die Musik, die du hören wirst, nur geistige sein, das Gelesene - nur die Schrift, deine Gedanken - nur bei Gott."
7. Im Gehen wandte sich der Lehrer um: "Die Glocke heißt Miroswon (Friedens- oder Weltklang - Anm. d. Übers.), sie wird über die Welt verkünden."
8. Die Tage der Zeitlosigkeit nahmen ihren Lauf. Das Leben in der Stadt und im Himmlischen Wohnsitz ging mit der Schaffung des Heiligtums weiter.
9. Beim Tempelgipfel, über dem Tal der Farnkräuter, wurde das Haus der Zurückgezogenheit für den Lehrer gebaut. Es begannen dieses Werk Alexander Chromow, Iwan Tanin, Jewgenij aus Shárowsk und Sergej der Älteste, den Neues in seinem Schicksal erwartete. Monate später schloss sich ihnen Daniil an und nach noch einigen Tagen Jessen. Die Männer der Stadt halfen, das schwere Bauholz zu dem Häuschen hoch zu tragen.
10. In der Stadt begann mit vereinten Kräften der Bau eines kleinen Blockhauses für Familien.
11. Und es hatten die Schüler die Absicht, bis zum Beginn des nächsten Winters nicht weniger als zwei Dutzend dieser Häuser zu bauen, denn die Zahl der Familien, die vom Lehrer zum Leben in der Stadt gesegnet wurden, wuchs in den Vorneujahrstagen merklich an.
12. Am Sonnabend jeder Woche kam zum Lehrer Anatolij Pshenaj, der jetzt die Beziehungen der Gemeinschaft zur Umwelt und den Staatsorganen pflegte, und Nikolai aus Tscheremschánka, der für die festgelegte Ordnung im Leben der Taigadörfer verantwortlich war.
13. Der Lehrer hatte erlaubt, dass sie zu Ihm kamen, damit Er die Kräfte dieser Männer auffüllte, die eine nicht vorbestimmte Arbeit ausführten - eine Arbeit, die nicht die schöpferischen Fähigkeiten der menschlichen Hände entwickelte.
14. Und es wurde von der Wahrheit in den langen Gesprächen gesagt:
15. "Was ist das, Gottesfurcht? Heute ist nur der Ausdruck geblieben, der nicht jenen Sinn beinhaltet, an dem sich jahrhundertelang der Glaube festgehalten hat.
16. Wichtig ist, dass der Mensch in sich ein Erleben hat, um nichts zu tun, das Gott zuwider ist."
17. "Die Situation gestattet es dem Menschen bisweilen, sich in den Augen der anderen sehr zu erheben.
18. Doch sehr bald muss man herabstürzen. Und je höher man sich erhoben hat, umso tiefer wird der Fall sein.
19. Obwohl der Fall an sich - nicht ein Fall in den Abgrund ist, sondern ein Fall auf die Oberfläche, auf der die anderen Mitbrüder stehen.
20. Und Schmerz beim Fall entsteht nicht vom Plattdrücken des Menschen, sondern vom Plattdrücken seiner hohen Meinung über sich, des Hochmuts."
21. "Noch ist nicht Abend, der Tag des Gerichts ist noch nicht beendet. Alle sind hierher gekommen, um sich zu verändern, sich ändern aber - bedeutet Zeit. Die Zeit aber hält bis zum Abend an."
22. "Ein Schüler - das ist jener, der einen Meister gefunden hat, Dessen Worte er als Wahrheit annimmt.
23. Und wenn man früher zum Ritter geschlagen hat, indem man das Schwert auf die Schulter legte, so geht die Widmung als Schüler vom Leben selbst und jeden Tag von Neuem vonstatten."
24. "Das Wichtigste für den Menschen ist - zu lernen, nur mit positiven Vorstellungen zu denken, nur konstruktive Phrasen auszuwählen. Die Sprache richtet das innere Wesen aktiv aus und formt Vorstellungen.
25. Man muss lernen, nur eine konstruktive Quelle zu sein."
26. Am 7. Januar 1998 stieg der Lehrer schon in der Morgendämmerung zur Stadt hinunter. Es stand die Weihung eines schöpferischen Werkes bevor, das in sich den Stempel des Letzten Testaments trug und seine Flügel im Zentrum der Stadt auf dem Tempelplatz ausgebreitet hatte.
27. In Erwartung der Einweihung war das Symbol mit einem weißen Tuch bedeckt worden.
28. Igor der Künstler, der seine Fähigkeiten in das Geschaffene gelegt hatte, stand zusammen mit dem Lehrer bei seinem Werk.
29. Der Lehrer steckte den Stab in den Schnee. Igor begann vorsichtig das Tuch von seinem Werk zu ziehen. Die an diesem Tag in der Stadt Anwesenden stellten sich um den Lehrer und umringten in einem weiten Kreis den Tempelplatz.
30. Anfangs sahen alle nur den Sockel des Werkes, der von geschnitzten Rebstöcken umschlungen war, und die Worte des Einheitlichen Gebets zu beiden Seiten - zum Osten und zum Westen.
31. Dann wurde der Mittelteil frei gegeben: zwei Engel mit wunderbaren Antlitzen in langer Kleidung, die große Flügel ausgebreitet hatten, Rücken an Rücken standen und ihre Gesichter der Welt zuwandten.
32. Um den oberen Teil des Symbols aufzudecken, halfen Igor seine Brüder, die dem Schöpfer des Werkes ihre Schultern darreichten. Igor nahm die Hilfe der Männer mit einem leichten Lächeln an und zog das letzte Tuch von der Arbeit.
33. Über den Köpfen der Engel entsprang aus einer erblühenden Knospe das Symbol des Letzten Testaments - das Kreuz im Kreis, das seinerseits die Mutter Erde stützte, über der der Bethlehem-Stern strahlte.
34. Während Igor weiter auf den Schultern seiner Mitbrüder stand, fegte er sanft den Schnee von den Schultern und Flügeln der Engel.
35. Unter den Flügeln der Engel waren zwei Glocken. Der Künstler befreite die Klöppel von der Umhüllung und bereitete sie so zum Erklingen vor.
36. Einen Augenblick später ließ sich Christus am Fuß des Symbols auf die Knie nieder und schloss die Augen in einem Sakrament.
37. Auch alle, die an diesem Tag an der Geschichte teilnahmen, ließen sich auf die Knie nieder. Es trat Stille ein ...
38. Vissarion strich zärtlich mit der Hand über das Gebet, das in das Zedern-Fundament geschnitzt war, breitete Seine Arme aus, streichelte gleichzeitig beide Glocken und ihre Klöppel, strich mit den Handflächen über ihre Schnüre und ergriff ihre Enden.
39. Und vierzehn Glockenschläge erklangen. Christus lächelte mit den Augen und wartete den letzten Klang ab, damit er sich im Universum auflöse.
40. Dann umarmte Er das Geschaffene und trat langsam zur Seite und erlaubte so denjenigen, die zur Feier der Einweihung gekommen waren, näher an das Werk des Meisters heranzutreten und es von allen Seiten zu betrachten. In diesen Momenten verschönte ein Chor den Morgen mit Gesang.
41. Auf einem schmalen Pfad ging der Lehrer zu einem kleinen Schlittengespann, setzte Sich hinein und wandte Sich zum Himmlischen Wohnsitz. Es fiel leichter flaumiger Schnee, der die Bäume mit reiner Farbe bedeckte...