Treffen mit Gelehrten in St. Petersburg ~ Interview des Fernsehen von Tiraspol mit Vissarion ~ Ein moldawischer Künstler würdigt die Werke Vissarions ~ Besuch im Felsenkloster von Moldawien ~ Ein Gespräch über Kunst in Chișinău ~ Die Hauptsache ist, wie der Mensch auf die Realität reagiert. ~ Die Welt so lieben, wie der Mensch sie liebt, kann sonst niemand im Weltall. ~ Ist die Wiedergabe von Details beim Malen wichtig? ~ Freude am Schaffen ist am günstigsten - der Wunsch etwas zu bewirken, ist Egoismus. ~ Eure Gedanken beim Schaffen prägen sich in eurem Werk ein. ~ Vissarion über die Malerei ~ Vissarion über christliche Strömungen
1. Am Morgen des siebten Juni war der Lehrer schon in Moskau und am Abend dieses Tages – in St. Petersburg, wo Er zusammen mit Kolja Onischtschenko Bilder vorbereitete, die Er an neue Rahmen für die Ausstellung in Kischinjow (das heutige Chisinau, Anm. d. Übers.) befestigte.
2. Am neunten Juni fand aufgrund der Initiative des Dr.phil. Sobow Roman Alexejewitsch, einem Professor der St. Petersburger Universität, ein Treffen des Lehrers mit einer kleinen Gruppe Gelehrter der Uni statt, unter denen sich Soziologen, Philosophen und Religionswissenschaftler befanden.
3. Diese Veranstaltung fand in der Rasesschaja Straße im Büro einer politischen Partei statt, da es verboten war, Treffen mit Vertretern religiöser Bewegungen in Lehrgebäuden durchzuführen.
4. In diesem langen Gespräch beantwortete der Lehrer Fragen und erklärte dabei den Sinn der Entstehung des Menschen, die Notwendigkeit, dass der Mensch heutzutage sein Verhalten aufgrund der Realitäten gründlich ändern muss, die Notwendigkeit, dass diejenigen, die fähig sind, den Aufruf wahrzunehmen, eine neue Gesellschaft auf der Grundlage von neuen gegenseitigen Beziehungen zwischen den Menschen aufbauen, die Notwendigkeit, dass die, die die Lehre angenommen haben, sich um das einige Verständnis derselben bemühen...
5. Der Lehrer hat auch darüber gesprochen, dass der Träger der Lehre nicht eine Gruppe von Menschen sei, sondern Derjenige trage die Lehre, der wisse.
6. „Der Lehrer wird vom Vater gelenkt, Er hat keinen eigenen Weg“, war eine der Aussagen des Lehrers am Schluss des Treffens.
7. Gegen Mittag des nächsten Tages war Vissarion schon in Kischinjow. Am Flughafen wurde der aus St. Petersburg angereiste Lehrer empfangen mit Blumen, Süßkirschen sowie Brot und Salz (russischer Brauch, Anm. d. Übers.), das die Vorsitzende der Russischen Gemeinde Moldawiens, Ludmila Alexejewna, überreichte.
8. Nachdem der Lehrer und Seine Schüler eine Menge Süßkirschen aus einem vollen Eimer gegessen hatten, war Er einverstanden, zu einem vorbestellten Saunatermin zu gehen. Der ganze folgende Tag war wiederum dem Genuss von Süßkirschen gewidmet. So nahm die Vorbereitung zur Eröffnung der Ausstellung ihren Lauf.
9. Am Mittag des zwölften Juni, am russischen Tag in Moldawien, wurde die Ausstellung in der hellen geräumigen Vorhalle des Puppentheaters von Kischinjow unter dem Thema “Der Geistige Weg und die Kunst“ eröffnet.
10. Zur Eröffnung waren viele Menschen anwesend, einige Fernsehgesellschaften von Kischinjow, eine Gruppe für Dreharbeiten aus Tiraspol und Journalisten verschiedener Zeitschriften.
11. Ludmila Alexejewna, die die Vernissage leitete, stellte die Teilnehmer vor: den Direktor des Theaters, einen bekannten Maler und Bildhauer, eine moldawische Sängerin, die gefühlvoll das 'Ave Maria' vortrug und die Maler der geistigökologischen Siedlung aus Sibirien...
12. Am Ende der Ausstellungseröffnung wurde dem Lehrer ein großer Korb mit Süßkirschen und farbenprächtige Rosenblütenblätter geschenkt.
13. Nach der Eröffnung gab der Lehrer zwei Interviews, eines davon dem Fernsehen von Tiraspol. Hier einige Fragmente dieses Interviews:
14. „Ist Ihr Aufenthalt hier nur im Zusammenhang mit der Ausstellung zu sehen, oder haben Sie sonst noch irgendwelche Pläne?“, war die Frage einer Journalistin.
15. „In erster Linie mit der Ausstellung. Ich möchte, dass die Menschen vor allem das Gestalten mit Händen kennenlernen, nicht aber Worte zu dem Thema.
16. Man kann viele schöne Worte verwenden, aber es ist für den Menschen sehr wichtig, mit Werken, von Händen geschaffen, in Berührung zu kommen. Das spielt eine sehr wichtige Rolle bei der zukünftigen Wahl, beim Begreifen des zukünftigen Lebens“, war die Antwort des Lehrers.
17. „Was haben Sie persönlich in Ihre Werke beim Malen hineingelegt?“
18. „Wenn man ein Lied singen möchte, so denkt man nicht, was man da hineinlegen muss. Der Wunsch zu singen entsteht auf natürliche Weise, wenn es der Mensch vermag, sich am Leben zu ergötzen, sich am Leben zu erfreuen.
19. Zu jeder Minute diktiert die umgebende Welt selbst das Thema, über das man in diesem Moment singen möchte. Der Künstler muss auch so singen, dass er in der Kunst – in der Malerei, der Bildhauerei, in Gedichten – das ausdrückt, was ihn bewegt hat.
20. Vielleicht ist es auf den ersten Blick etwas Unscheinbares, aber so etwas sollte man gern zu beobachten lernen. Man soll jedes Teilchen des Lebens um sich herum gern beobachten und versuchen, diese Freude mit anderen zu teilen.
21. Aber das soll nicht das Ziel sein – etwas mitzuteilen, jemanden zu etwas zu bringen. Für den Sänger ist das Singen wichtig. Und im Weiteren wird der Weg durch die Wünsche der Menschen bestimmt: Sie fangen selbst an einzuladen, wenn ihnen die Werke gefallen.
22. Aber es ist nicht richtig, wenn man es forciert, den Menschen Kunst aufzuzwingen, wenn sie einen nicht einladen...“
23. Eine interessante Würdigung der Ausstellung der sibirischen Maler, und besonders der Werke Vissarions, erfolgte bei der Eröffnung durch den anwesenden Bildhauer und Künstler Jurij Kanaschin, anerkannter Künstler von Moldawiens, Doktor der Philosophie, Akademiker der Internationalen aktiven UNESCO-Akademie:
24. „Meiner Meinung nach ist diese Ausstellung ein würdiges Geschenk für alle Bürger von Moldawien. Im Sinne der Ästhetik, im Sinne der Thematik, im Sinne der beruflichen Ethik hat mich die tiefe Räumlichkeit, die Tiefe der eigentlichen künstlerischen Ästhetik bewegt.
25. Ich sah sehr viel, als ich in den Museen Europas und sonst wo in der Welt war. Es schien, dass einen erfahrenen Besucher kaum noch Etwas überraschen konnte, aber nein.
26. Im Einfachen hat Vissarion das entdeckt, was einfach überrascht. Wie kann man aus so einer einfachen Figur solch eine Gestalt erschaffen?! Ich meine die 'Auf dem Wasser Laufende'. Es gibt Nichts, was den Zuschauer an etwas Sexuelles erinnert, es gibt nicht einmal eine Anspielung auf das Triviale. In Allem schwingt die Ästhetik mit! Das überrascht!...
27. In den Stillleben eröffnet uns Vissarion eine andere Welt (wrtl. Nische, Anm. d. Übers.). Er konzentriert sich auf die Gestalt eines detaillierten Portraits, ohne das Ganze zu vernachlässigen...“
28. In den Tagen der Ausstellung beteiligte sich der Lehrer kaum an irgendwelchen Treffen. Die Schüler übernahmen die Leitung der Treffen, Zusammenkünfte, Konzerte.
29. Am vierzehnten Juni war der Lehrer damit einverstanden, das Felsenkloster von Moldawien zu besichtigen. Auf dem Weg wurden sie von schönen Landschaften, den Weiten des malerischen Landes, begleitet.
30. Im ersten Kloster kam der Lehrer zu einer noch besetzten Klosterzelle eines Mönches, der als Erster an diesen Ort kam und fünfzig Jahre hier allein lebte (später kamen Andere und fanden ihren Platz neben ihm, so entstand das Kloster). Vissarion verweilte in dieser schlicht gehaltenen, mit einem einzigen Fenster ausgestatteten Klosterzelle, Er legte Seine Handflächen auf die alten Felswände...
31. An diesem Ort ist jetzt ein orthodoxes Kloster mit neueren, geräumigen Gebäuden, einer heiligen Quelle und einer großen Toilette entstanden, die einen starken Geruch in ihrem Umkreis verursacht.
32. Der Lehrer bat Seine Reisegefährten, sich hier nicht zu einer weiteren Besichtigung aufzuhalten. Und auf dem Weg zu einem anderen Felsenkloster, dessen Besichtigung auch noch für den Vormittag geplant war, kehrte man auf die Bitte des Lehrers hin nach Kischinjow zurück.
33. Am fünfzehnten Juni war in der Halle des Puppentheaters ein Treffen des Malers Vissarion mit Malern und Künstlern der Hauptstadt Moldawiens geplant. Und am Abend sollte ein Treffen des Lehrers mit allen interessierten Fragestellern stattfinden.
34. Vissarion kam zur vorgesehenen Zeit zum Treffen mit den Künstlern ins Theater. Der Saal war beinahe voll. Auf der Bühne stand ein Stuhl für den Lehrer.
35. Aber der Lehrer ging nicht auf die Bühne, was der Erinnerung Vadims nach in solch einer Situationen zum ersten Mal vorkam, sondern stellte sich mit dem Rücken zur Bühne, an die er sich leicht anlehnte, und somit stand Er näher bei den Menschen.
36. Das Treffen, an dem, wie sich später herausstellte, auch Gemeindemitglieder einer der orthodoxen Kirchen von Kischinjow teilnahmen, begann.
37. Der Lehrer antwortete sowohl auf schriftlich wie auch auf mündlich gestellte Fragen seitens der Teilnehmer in der Halle. Hier einige Momente dieses Treffens.
38. „Der Künstler, der Meister, muss seine geistigen Schätze finden, die wichtig und wahr sind, auf die er sich stützen muss, dank derer er sich beruhigen muss, denn Ruhe ist nötig. Das Schöne muss man in Ruhe gestalten, mit Liebe. Man darf sich nicht beeilen, man darf nicht in Hektik verfallen.
39. Viele Werke, die man auf Ausstellungen sieht, sind hauptsächlich das, was man im Laufe von einigen Tagen herstellen kann (und vielleicht auch in einem Tag), oder man kann mehrere Werke in einem Tag produzieren. Aber das ist nicht die richtige Behandlungsweise, denn man wird nervös, hastig, alles wird irgendwie schnell, schroff.
40. In so einem Werk findet man kaum Ruhe, findet man kaum Begeisterung; es ist sehr schwierig, dadurch erfüllt zu werden, man wird unruhig.
41. Daher, wenn wir schon davon reden, dass irgendein neues, zukünftiges Wiederaufblühen der Kunst notwendig ist, so soll dies vor allem mit dem geistigen Wachstum des Menschen verbunden sein. Das technische Können, das den alten Meistern eigen war, reicht nicht mehr aus.
42. Denn was für wunderbare, talentierte Könner sie auch waren, so war es für sie schwierig, die Schönheit des Geistes auszudrücken. Es wurde etwas dargestellt, was sie gern zu beobachten suchten, aber es spiegelt sich dort die Zeit wider.
43. Die Zeit wird sich beim Künstler immer widerspiegeln, wenn er versucht, diese Zeit wahrheitsgemäß wiederzugeben. Und die Zeit wird von irgendeiner Vibration gekennzeichnet, von irgendeiner Spannung, von vielen Unannehmlichkeiten.
44. Und je empfindsamer ein Mensch ist, umso tiefer beginnt er zu fühlen, was sich hinter dem Dargestellten verbirgt. Und wenn es da viele gesellschaftliche Probleme gibt, so wird das alles von so einem Werk ausgestrahlt.“
45. „Und ist das etwa schlimm?“
46. „Und wofür? Wer braucht solche Probleme? Wie sollen sie einen begeistern?“
47. „Aber dies ist wohl die Wahrheit des Lebens.“
48. „Nun ja. Aber wie ist sie fähig zu begeistern? Sie macht vielleicht betrübt, macht einen traurigen Menschen noch trauriger? Die Wahrheit des Lebens kann so furchtbar sein, wenn man sie eingehender betrachtet. Und wofür soll man sie dann darstellen?
49. Jetzt können wir ein gutes Beispiel beobachten: 'Nowosti' (entspricht unserer Tagesschau, Anm. d. Übers.), Filme... zeigen sie das Schöne? Nein, das ist das, was jetzt den Leidenschaften des Menschen quasi notwendig entspricht, um Menschen zusammenzubinden, zusammenzupressen, damit bei ihnen Adrenalin jede Minute kiloweise ausgeschüttet wird. Und im Nachhinein können sie, wie Drogensüchtige, nicht ohne Adrenalin leben. Das ist auch eine eigenartige Abstimmung auf die Physiologie des Menschen.
50. Folglich wird er sich weiterhin unwohl fühlen, wenn er diese Adrenalinstöße nicht hat, er fühlt sich so: Seine Stimmung geht bergab, er braucht ein Doping. Dafür wird wiederum irgendein Szenarium nötig, aber schon nicht mehr das Übliche, was er schon mehrmals gesehen hat, irgend so ein grausames Bild, sondern es soll neu sein, mit irgendwelchen noch größeren Effekten, nur dann wird es ihn packen.
51. Dann fängt er daraufhin an zu leben, er fühlt, wie sein Blut angeregt wird, jetzt möchte er sich bewegen... Aber das ist nicht normal, das heißt, dass die Psyche auf die Weise eine Abweichung in eine kranke Richtung erfährt, hin zu klinischen Zuständen.
52. Darum, wenn wir über Kunst sprechen, so wäre es natürlich wunderbar anzunehmen, dass, wenn der Mensch dies erlebt, so wird ihm daraufhin einfach angenehm zumute, wohlig, leicht, er wird weiter kreativ sein wollen, Und wenn ein Mensch irgendwo war, in irgendeiner Ausstellung, irgendwelche handgefertigten Werke betrachtet hat (modellierte Plastiken, irgendwelche Zeichnungen oder sonst etwas) und vielleicht auch irgendwelche interessanten Lieder gehört hat, so ist bei ihm danach das Bedürfnis entstanden, schneller in die Werkstatt zu eilen und zu versuchen, etwas mit den Händen herzustellen – das ist normal. Das heißt, dass beim Menschen das schöpferische Potential erwacht.
53. Und dafür muss man eine wirklich positive Weltsicht in das Werk hineinlegen, und es ist schon sehr wichtig dabei, seine geistige Einstellung zu ändern. Nur dann fängt der Mensch an, die Realität anders wahrzunehmen, und somit beginnt er, etwas auf andere Weise zu gestalten.
54. Denn das Kunstwerk ist ein eigenartiges Instrument, das fähig ist, stabil durch Jahre und Jahrhunderte hindurch mittels Impulsen, die dort von dem Menschen hineingelegt wurden, zu wirken. Das funktioniert wie eine langlebige Batterie. Solange das Werk existiert, solange geht von ihm der Impuls aus, der von dem Menschen dort hineingelegt wurde.
55. Und so, um von einem guten Kunstwerk zu sprechen, wenn man der Gesellschaft nützlich sein möchte, so ist es sehr wichtig, dass diese Impulse positiv sind.
56. Nach jeder Ausstellung könnt ihr diesen Effekt selbst überprüfen: sich entspannen, in den Ausstellungsräumen hin- und hergehen und versuchen, die Empfindungen vor und nach Betreten der Ausstellung zu vergleichen. Sehr oft können das schwere Empfindungen, kann das Ermüdung sein.
57. Aber das ist nicht richtig, solche Ausstellungen sollte es nicht geben. Vielleicht gibt es dort auch technisch interessante Lösungen, aber so ein Werk soll man nicht ausstellen. Es wirkt negativ auf die Psyche des Zuschauers. Dabei handelt es sich um die Information, die Ausstrahlung, die beständig von dem Werk ausgeht.
58. Und um noch einmal von der Verantwortung des Künstlers gegenüber den Menschen, mit denen er Kontakt hat, zu sprechen, so geht es dabei um eine riesengroße Verantwortung. Er ist verpflichtet, sich geistig heranzubilden, er hat einfach kein Recht, mit dem Gestalten eines Werkes anzufangen, wenn er in bedrückter Stimmung ist, wenn er sich in irgendeiner Unruhe befindet, irgendwelche Gedanken über etwas Anormales hat.
59. Es wäre besser, nicht auf die Weise anzufangen, aber sich beruhigen, mal spazieren gehen, auf etwas Schönes blicken... Danach – bitte, kann man anfangen zu gestalten. Aber diese geistige Ruhe ist äußerst wichtig, sonst wird es nicht gelingen, etwas Gutes zu schaffen.
60. Und zudem läuft jetzt die Zeit mit Beschleunigung, wie ihr seht, sie drängt zu rennen, immer mehr zu rennen, sonst bekommen alle so ein Gefühl: Wenn man es nicht schafft, so wird man unter solchen Verhältnissen kaum überleben, man muss es schaffen. Und die Psyche wird überfordert.
61. All diese Informationsänderungen, die in den Städten, in der Gesellschaft vor sich gehen, erzeugen eine stetige Notwendigkeit, etwas zu lernen, sonst kann man nicht überleben, sonst kann man kein Geld verdienen. Und das wird die Psyche in die Katastrophe treiben. Die Psyche fängt schon an, darunter zu leiden.
62. Darum, indem wir noch einmal zur Kunst zurückkehren, ist es sehr wichtig, diese Ruhe, diese Zuversicht zu finden, die Dankbarkeit für alles, was auf der Erde gegeben wird, für das, was jeden Tag dem Menschen gegeben wird. Das heißt, man muss lernen, Gott wirklich zu glauben, Ihn zu achten, das zu achten, was Er gibt und für all dies dankbar zu sein.
63. Nur dann kommt die Ruhe, nur dann kommt die Befriedigung bei allem, was du siehst. Und dann versuchst du schon mit Freude zu beobachten, ohne dich darüber zu beunruhigen, wie du morgen überlebst. Es ist ja nicht wichtig, wie man morgen überlebt. Heute möchte man mit Freude beobachten – und man beobachtet mit Freude. Einfach so, ohne jemandem in der Kunst etwas aufzuzwingen.
64. Und dann allmählich, wenn der Mensch schöpferisch gestaltet, werden um ihn herum diejenigen sein, die diese Werke benötigen, also die Menschen fangen dann selbst an zu bitten: 'Lass uns gucken! Komm zu uns, wir wollen sie so sehr sehen. Wir haben kaum eine Möglichkeit zu kommen, lieber helfen wir dir, zu uns zu kommen.“ Und auf natürliche Weise bildet sich des Künstlers Pfad, der Weg, der ihn seine Möglichkeiten realisieren lässt.
65. Und dann braucht man keine Rechenschaftserklärung, kein 'Häkchen', dass man unbedingt ausstellen müsse. Man ist Mitglied eines Künstlerverbandes – so müsste man ja ausstellen! Obwohl kaum jemanden seine Werke interessieren, soll er aber ausstellen, er forciert es auszustellen, er versucht, Menschen zusammenzubekommen. Wenige Menschen kommen dahin, danach wird er selbst traurig: 'Warum sind es so wenige Menschen, sie kommen nicht.'
66. Er fängt an, irgendwelche anormalen Gründe herauszufinden, die ihre Abwesenheit quasi rechtfertigen. Nicht selten läuft es darauf hinaus, dass die Menschen seine Kunst ja nicht verstehen. Er ist so wunderbar, er legt so viel hinein! Sie verstehen also nichts von Kunst, wenn sie nicht kommen. Irgendwelche dummen, primitiven Rechtfertigungen entstehen. Und es ist einfach so, weil die Werke solch ein Niveau haben, deshalb kommen die Menschen auch nicht.
67. Man muss die eigenen Werke kritisch betrachten können, seine Arbeit analysieren können, um sich weiter zu verändern. Nur dann gibt es eine Möglichkeit, weiter zu lernen, wenn man so kritisch herangeht, denn nach den Gründen sucht man vor allem bei sich selbst. Wenn man sie bei den Mitmenschen sucht, so ist das nicht normal.
68. Darum muss man jetzt in der Kunst sehr vieles unvermeidlich neu beurteilen, viele traditionelle Techniken, die es schon vorher gegeben hat, wieder aufgreifen, aber dahinein die geistigen Tiefen einbringen.
69. Man braucht nicht versuchen, sich das auszudenken, was im Grunde schon entdeckt wurde, sondern sollte das Wirkliche schön darstellen können, wenn man mit dem Zuschauer in einer für ihn verständlichen Sprache spricht, nicht aber kommt und irgendeine Rede in irgendeiner unverständlichen Sprache hält, die der Redner sich ausgedacht hat. Und alle hören zu und versuchen zu erraten, was für Bildvorstellungen er da hineininterpretiert, sie versuchen, sich aufgrund seines Zustandes vorzustellen, was er da hineinsieht... Aber sie verstehen nicht, was er sagt.
70. Man soll nicht mit den Anderen so sprechen, wenn man ihnen etwas erläutern will. Sprich in verständlicher Sprache, aber sprich vom Schönen, das ihnen mittels dieser einfachen, verständlichen Sprache interessant sein wird, was sie begeistern, erfüllen und ihnen Freude bescheren wird.
71. Im Grunde genommen ist schon viel Interessantes in der Kunst erreicht worden, und es bleibt nur, dass man nicht seine eigene wichtige Position in der Kunst sucht, wo man versucht, etwas Neues zu finden und sich auf irgendeine Weise so zu äußern, wie noch nie jemand zuvor. Das ist bloße Zeitverschwendung, denn die Menschen haben ein gemeinsames Informationsmilieu der Erziehung, sie haben die gleichen physiologischen Besonderheiten, die das Wahrnehmen der umgebenden Realität ermöglichen. Und darum, so sehr sie sich auch bemühen mögen, tätig zu sein, sie tun es alle, im Grunde betrachtet, gleich. Sie ähneln sich sowieso, es wird ihnen nicht gelingen, sich irgendwie unwiederholbar zu äußern.
72. Dabei handelt es sich um den anormalen Wettstreit, etwas Unübliches zu schaffen. Das ist wie der Versuch, irgendeine Moderichtung im Textilbereich zu suchen. Mode ist nur kurzfristig: Heute die eine Modeausstellung, morgen schon eine andere, sie ändert sich immerzu. Aber man kann nicht sagen, dass sie schön sei, weil sie sich immer ändert.
73. Und genau so soll im Bereich der Kunst Mode auch kein Thema sein. Es existiert eine normale Ausdruckstechnik, die für einen beliebigen Menschen verständlich und einfach in Bezug auf die Wahrnehmung ist, wo er sich nicht als einen beschränkten Menschen begreift, wenn er auf die Frage, wie er das Werk wahrnehme, sagt: 'Nun, ich verstehe nichts von Kunst' (was man sehr oft hören muss). Er versucht, diese Worte hinzuzufügen, sich quasi zu rechtfertigen, insofern, als bei ihm im Weiteren vielleicht irgendeine nicht ganz passende Einschätzung erfolgt.
74. Aber diese vorangegangene Aussage ist demütigend. Wie kann ein Mensch das Schöne nicht verstehen? Es ist unmöglich, das Schöne nicht zu verstehen, denn in die Schönheit, in die Harmonie wird man hineingeboren, da sind die Körperzellen, die Physiologie, die Psyche schon von selbst darauf abgestimmt, das Schöne wahrzunehmen und sich zu begeistern, zu erzittern.
75. Die Abstimmung existiert schon, sie soll nicht zusätzlich eingetrichtert werden durch irgendwelche Bücher, durch das, was irgendjemand entsprechend seiner Auffassung von Schönheit schreibt.
76. Sie wird von jedem auf dessen Weise wahrgenommen, niemand hat die gleiche Wahrnehmung, und keiner wird sie haben. Es handelt sich dabei um ihre bestimmten Schattierungen, die die Wahrnehmung eines Menschen von der Wahrnehmung eines anderen Menschen unterscheiden. Daher kann man auf keine Weise nur etwas Einzelnes geben, man kann nicht mit nur einem einzigen Werk alle befriedigen. Je nach Stimmung, je nach Zustand werden die Menschen es sowieso auf verschiedene Weise wahrnehmen.
77. Natürlich wird es jetzt äußerst notwendig sein, dass die Menschen einen gewissen geistigen Frieden finden. Und dafür muss man dies direkt mit der geistigen Entwicklung verbinden.
78. Die geistige Entwicklung ist damit verbunden, wie der Mensch auf die ihn umgebende Realität reagiert, und es ist die Hauptsache, wie er auf seine Nächsten reagiert, wie sich ein Mensch gegenüber dem anderen verhält, wie er ihn wahrnimmt, wie er auf sein Benehmen reagiert. Wenn ein Mensch auf euch zukommt und etwas tut, wie sollt ihr darauf reagieren – hier liegen die hauptsächlichen geistigen Gesetze der Entwicklung des Menschen.
79. Geistiges ohne das zu betrachten – ob ein Mensch zur Ruhe finden kann, die umgebende Realität, die Wolken betrachten kann... das ist sehr wenig. Wichtig vor allem – wie er seine Nächsten wahrnimmt. Denn der Mensch wurde dafür geboren, dass er seine Gemeinschaft ins Leben ruft und in diesem einheitlichen Ganzen die Gesetzte der Materie verändert mittels seiner Fähigkeit, sich gegenüber dieser Realität, gegenüber den Gesetzen der Materie, psychisch richtig zu verhalten.
80. So also kann der Mensch die Vibrationsstruktur der Gesetze der Materie der umgebenden Welt verändern, durch seine Fähigkeit, sich an etwas zu ergötzen. Gefühl ist auch Vibration. Und da der Mensch es vermag, sich gegenüber der umgebenden Welt mit Liebe zu verhalten, ist es möglich, die Welt sehr stark zu verändern, das heißt, ihre Kennzeichnung beginnt sich zu ändern. Dies ist eine einzigartige Besonderheit, um derentwillen der Mensch erschaffen worden ist, um das gesamte Gesetz der Materie, das ganze Weltall auf so eine Weise zu verändern.
81. Und deshalb begann er sein Leben auf der Erde, gleichsam als erste Etappe, die dazu dient, dem Menschen zu helfen, über sich selbst klar zu werden und zu lernen, das Instrument, das ihm gegeben ist, zu benutzen. Sein Körper ist sein Instrument, womit seine Seele das schöpferische Potenzial realisieren soll, welches sich mittels der Gesetze der Materie äußert, wozu sie (die Seele, Anm. d. Übers.) aufgerufen ist.
82. Und da der Mensch dafür erschaffen ist, das notwendige Milieu innerhalb seiner Gesellschaft zu gestalten, sich im Weltall, zwischen/auf den Sternen zu bewegen, indem er sie besiedelt (denn das ist das zukünftige Haus des Menschen), so ist es folglich sehr wichtig, vor allem zu lernen, beieinander zu sein.
83. Die einige Menschheit, die einige Familie ist nur in einem Falle möglich – wenn volles Vertrauen von Mensch zu Mensch vorhanden ist, und wo ein Mensch immer daran denken wird, wie er seinem Nächsten nützlich sein kann.
84. Jetzt ist nämlich die Anschauung des Menschen umgekehrt ausgerichtet: Er betrachtet all seine Bekannten derart, inwiefern sie ihm im gegebenen Fall nützlich sein können, was er durch sie erlangen kann, ob sie für ihn vorteilhaft sind. Oder sie kommen immerzu und bitten um etwas... Unangenehm, ärgerlich, man möchte ihnen nichts geben: Warum kommen sie auch immer? Aber wenn man euch etwas gibt – oh-oh, das ist angenehm, natürlich, es ist schön, so einen Menschen kennenzulernen!
85. So ist das eine egoistische Einstellung, die die Menschen einander nicht vertrauen lässt. Sie fangen an, voreinander Angst zu haben. Und wenn sie Angst haben, ist ihr Bewusstsein zersplittert, das heißt, es gibt kein einiges Bewusstsein auf der Erde.
86. Und es ergibt sich, dass ihr in einer riesengroßen Menge auf der Erde lebt, aber ihr benötigt Rundfunk, um zu erfahren, was passiert, ihr braucht Telefon, um zu erfahren, wo, wie und was für Ereignisse geschehen. Obwohl es des Menschen Recht ist, all dies unabhängig von solchen technischen Mitteln zu wissen. Das ist das Informationsfeld, das sich im Bewusstsein der Menschen vereinigen soll, das einheitliche Ganze, das das einheitliche Bewusstseinsfeld werden soll. Das ist aber möglich, wenn völliges Vertrauen da ist.
87. Zum völligen Vertrauen können nur geistige Gesetze führen. Nicht materielle Gesetze, nicht politische, ökonomische Verhältnisse – all dies bezieht sich in keiner Weise darauf. Das schafft nur noch mehr Verwirrung, inszeniert irgendein zusätzliches 'Fußballspiel', von dem alle mitgerissen werden. Das ist ein Spiel, das den Menschen in Wirklichkeit in keiner Weise weiterentwickeln hilft, es lenkt nur von der Entwicklung ab.
88. Und daher ist es äußerst wichtig, geistige Gesetze zu betrachten, sie zu durchdenken und einfach mit der ganzen Seele zu versuchen, sie zu erfüllen. Dann kommt der Mensch dazu, was gebraucht wird, was vom Menschen erwartet wird.
89. Und er beginnt, die Kunst so zum Ausdruck zu bringen, wie es ihm gebührt, so, wie es niemand im Weltall tut. Denn die Welt so lieben, wie der Mensch sie liebt (zumindest fähig ist zu lieben, solche Fähigkeiten sind in ihn eingelegt) so etwas kann niemand im Weltall...“
90. „Sag, ob die Wiedergabe von Details auf der Leinwand unbedingt nötig ist, wenn die Hauptgestalt dies nicht erfordert? Und wenn das nicht unbedingt notwendig ist (dies ist die zweite Frage), wie kann man es dann anstellen, dass das Werk aus der Nähe betrachtet werden kann?“
91. „Eine derartige Aufgabe wird nicht gefordert, dass man ein Werk unbedingt aus der Nähe betrachten soll. Du hast doch jetzt selbst gesagt: 'wenn die Gestalt es nicht erfordert'. Wenn diese Gestalt deiner Ansicht nach keine solch eine Durcharbeitung von Details erfordert, so probier, das nicht zu tun. Probier es!
92. Dies ist ja das Schöpferische. Dies ist der Weg, wo du etwas versuchst und dich, indem du selbst das Getane analysierst, vervollkommnest.
93. Das heißt, du kannst beobachten, wie dies in diesem Augenblick wahrgenommen wird. Nach einer Weile kann sich deine Ansicht ändern, wenn du selbst beim Kontakt mit irgendwelchen anderen Werken dank deiner Wahrnehmung, deiner Reflexion über etwas anderes, wachsen kannst. Danach kommst du auf dein Werk zurück und sagst: 'Nein, hier da fehlen irgendwelche Details.' Und du ergänzt sie. Vielleicht veränderst du dein Herangehen an das Werk.
94. Aber man kann hier kein einheitliches Prinzip vorgeben. Es wäre gut, wenn es den Wunsch gäbe, das Dargestellte dem Zuschauer mittels einer verständlichen Sprache zu vermitteln (dies ist vor allem wichtig), damit die Menschen nicht versuchen zu erraten, was du denn da dargestellt hast.
95. Und es kommen solche Kuriositäten vor, wenn der Zuschauer anfängt zu betrachten: 'Oh–oh, ich sehe dies da, ich sehe das da...' - und der Maler glänzt schon vor Freude (na schau mal, welche Ideen er verwirklicht hat!), aber er selbst hatte nicht eine Spur davon in seinen Gedanken gehabt, er konnte sich so etwas nicht einmal ausdenken, und es sieht aus, als ob er es fertiggebracht hat, so etwas zu verwirklichen.
96. Obwohl es nicht direkt dargestellt ist, sagt der Zuschauer das einfach so. Während er irgendwelche Bilderrätsel erlebt, denkt er etwas dazu, er hat seine eigene Phantasie. Und sie kann bei weitem reicher sein, als bei dem, der das Werk dargeboten hat. Und so versucht dieser Mensch, seine eigene Phantasie von dort herauszuangeln, aber dies gibt es nicht in diesem Werk, dies wurde nicht hineingelegt.
97. Aber wenn ihr, indem ihr euch weiter entwickelt, bei der Wahrnehmung von Energien, die das Werk ausstrahlt, immer feinsinniger werdet, so müsst ihr euch Überflüssiges nicht ausdenken. Die Energie selbst, ihre Vibration, wird das Niveau der Erlebnisse vorgeben, das dort hineingelegt ist. Und ihr könnt sofort, indem ihr vergleicht, einschätzen, dass die ausgedachte Gestalt nicht zu dem Werk passt, die Schwingung passt nicht. Obwohl es euch quasi lockt, auch mal an diese Gestalt zu denken, indem man von irgendwelchen Linien, irgendwelchen Farben ausgeht, aber ihr seht, dass es dem nicht entspricht: Eine ganz andere Schwingung geht vom Werk aus.
98. Aber zunächst nehmt ihr dies nicht wahr. Deswegen versucht ihr, einfachheitshalber etwas dazuzudenken, das man dort hineinlegen könnte, indem ihr nur mit den Rezeptoren eurer Augen herangeht.
99. Genauso kann man unendlich über das 'Schwarze Quadrat' (ein Bild von Maljewitsch, Anm. d. Übers.) sprechen, man kann dem dort alles andichten, was man will. Obwohl der Mensch sich dabei überhaupt nichts gedacht hat, vielmehr saß er einfach da, duselte vor sich hin... drehte gedankenlos den Pinsel mit seiner Hand: 'Oh, nun gut, möge es bleiben.' Und alles: 'Oh-oh! Dort sind solch revolutionäre Ideen!' Dem kann man alles, was man will, andichten. Aber das ist einfach ein eigenartiger Hohn gegenüber den Menschen, so darf man nicht an ein Werk herangehen.
100. Der Maler soll für das, was er macht, verantwortlich sein, dafür, wie er an all dies, was er in Wirklichkeit machen möchte, herangeht.
101. Allen bloß zu zeigen: 'Und so sehe ich die Welt' – und wofür? Alle sehen die Welt auf ihre Weise, dies bedeutet doch nicht, dass alle sofort versuchen sollen, Ausstellungen zu machen, um zu zeigen: So können sie die Welt sehen! Na und? Die Wahrnehmung der Welt ist doch bei allen unterschiedlich, aber dies erfordert nicht, dass jedermann darauf aus ist, sie auch so zu zeigen.
102. Darum sieh... Jetzt irgendwelche abstrakten Gesetzte heranzuziehen (ob man etwas detaillierter gestalten soll, ob man diese Details nicht betonen soll) – so kann man das nicht ausdrücken. Du machst es - und siehst, du ziehst Schlussfolgerungen daraus, du siehst, ob dies den Nächsten hilft, inwieweit du sie mit Freude erfüllst, die du versuchst, mit ihnen zu teilen.
103. Denn vor allem weißt du, du sollst bei deinem Versuch, das Werk zu schaffen, nicht bestrebt sein, irgendein Führer zu sein. Hier wäre es auch wünschenswert, dass man sich nicht beeilt, davon mitgerissen zu werden. Sonst kann es passieren, dass, wenn man malen kann, so möchte man folglich den Menschen irgendwelche Ideen erzählen, sie in die eine oder andere Richtung führen... ihnen durch das Werk die Fahne aushändigen.
104. Man soll nicht so eine Art von Verteiler großartiger Absichten sein. Du teilst einfach das Schlichte, das Schöne mit, das dich heute bewegt, dich erfreut, dich erfüllt. Du hast es – mit einem Mal – wahrgenommen. Du konntest sogar diese neue Welt, die sich in deinen Gefühlen spiegelte, mit deinen Händen erschaffen.
105. Und jetzt ist sie dir eigen, diese Welt, du hast dich über deine Fähigkeit zu erschaffen gefreut, es ist dir gelungen, das auszudrücken, was dich erfreut hat. Du sorgst dich nicht darum, ob die Menschen das anschauen werden oder nicht, du freust dich einfach über das Schaffen. Dies wird am günstigsten sein.
106. Und wenn du meinst, dass es wo hinführen soll, es mittels dieses Werkes bewirkt werden soll, alle aufrütteln soll – das ist schon mehr der Egoismus, der danach drängt, sich in seiner Bedeutsamkeit zu äußern. Aber so etwas ist fehlerhaft, das ist für die Entwicklung der Psyche sehr gefährlich.
107. Wenn die Menschen dann anfangen, etwas nicht zu verstehen, dann wird dich das verwundern, quälen: Warum bemerken sie deine Bedeutsamkeit nicht, diese Größe? Und es bleibt einem nur übrig, sich zu betrinken, dem Rauschgift zu verfallen, um wenigstens irgendeine Beruhigung zu finden. Viele finden sie auch auf diese Weise. Aber das ist schon ein unnötiges Extrem, so ein Ergebnis entsteht durch die von Anfang an nicht richtige Vorgehensweise.“
108. „Sag, Vissarion, werden die Gedankenbilder des Malers, die in seinem Bewusstsein im Moment des Erschaffens entstehen, auf der Leinwand eingeprägt?“
109. „Natürlich! Alle Gedanken, die der Mensch in diesem Moment hat, die Sorgen, sie werden in unterschiedlichem Maße in das Werk eingeprägt. Noch mehr als das – er schafft doch mit seinen Händen: Er streckt die Hand aus, von der Hand gehen Impulse aus (sie gehen stets vom Menschen aus, solange er lebt). Und davon, wie er denkt, sogar durch solch einen Pinsel beginnt sich diese Information zu konzentrieren und wiedergegeben zu werden“.
110. „Kann man diese inneren Bilder, (ich spüre sie) als lebendig betrachten?“
111. „Sie sind lebendig, natürlich! Alles ist lebendig. Du beendest das Werk, gehst aus dem Leben, aber es wird leben, es wird dort pulsieren.“
112. „Wird es sich um die Leinwand herum bilden?“
113. „Es wird stets pulsieren. Man kann es mit einer einfachen Rahmenvorrichtung messen (mit so einer primitiven Vorgehensweise), mit noch etwas... aber dort bleibt all diese Information vorhanden. Du lebst nicht mehr, und sie wird weiter pulsieren.
114. Darum habe Ich zu Anfang auch gesagt: Dies ist ein sehr verantwortungsvoller Akt, wenn der Mensch das Werk schafft, und es bleibt danach für Jahrhunderte erhalten, weil von ihm eine Information ausgeht.
115. Wenn man Werke des Altertums betrachtet... Das ist eine Sache, wenn wir sagen: 'Oh–oh! Was für ein wunderbarer Maler! Man schreibt so viel von ihm, er ist so ein hervorragender Maler!' Und wir loben: 'Wie wunderbar!' Und wenn man in sein Inneres hört, wird da etwas anderes verspürt, irgendeine Schwere ist da.
116. Es ist interessant gemacht, zu jenem Zeitpunkt, in jener Epoche war dies eine Errungenschaft – es so zu gestalten, niemand anderer konnte das erreichen. Eingeprägt aber ist eine Sorge, eingeprägt ist irgendein Schmerz aufgrund der Sorge, und gerade er fängt an, negativ auf die Psyche des Zuschauers zu wirken.
117. Deswegen ist es eine Sache, eine oberflächliche Aufmerksamkeit, die die Größe des Malers bezüglich irgendeiner historischen Information bestimmt – und die andere Sache ist – wenn ihr beginnt, den wirklichen Wert des Werkes gefühlsmäßig zu bestimmen. Man soll nicht nur durch den Namen verlockt werden, man muss dieses Werk mittels des Spürens anschauen.
118. Ansonsten sollte man es als eine historische Information belassen: 'Das gibt es.' Aber es ist sinnlos, es den Menschen zu zeigen. Nun wird ein Kunstforscher kommen... vielleicht muss er in irgendeinem Bereich seine Kenntnisse etwas aufbessern – na gut, normal. Aber für Zuschauer darf dieses Werk eigentlich schon nicht mehr ausgestellt werden, es erzeugt Schwere.“
119. „Wie verhalten Sie sich zur modernen Kunst, die abstrakt und gegenstandslos ist, zum Sublimatismus und den anderen '–ismen'?“
120. „Hoffentlich habe Ich das schon in irgendeinem Maß beantwortet. Hier wäre es wünschenswert, wenn jeder Maler versucht, darüber nachzudenken, warum er diese Werke den Menschen zeigen möchte. Es ist eine Sache - wenn man sich in einem Zimmer verschließt und malt, so, wie es einem in den Sinn kommt und was einem in den Sinn kommt, in beliebiger Art des Herantretens an die Sache. Aber es ist eine andere Sache - wenn die Idee entsteht auszustellen, das den Menschen zu zeigen. Wofür? Also was möchte hier der Mensch in Wirklichkeit?
121. Hier wäre es wünschenswert, darüber nachzudenken und im Weiteren schon konkreter zu schauen: ob man in dem einen oder anderen Fall dem Wunsch, die Werke zu zeigen, folgen sollte, oder hier nicht nachzugeben und die Werke zu Hause zu lassen?
122. Und es irgendwie einfach so einschätzen... Das macht keinen Sinn. Ich habe es auch schon in einem gewissen Maße von einer anderen Seite her beantwortet, dass jeder Mensch die Welt auf seine Weise wahrnimmt. Dies kann unwiederholbar sein, seine Gemütsbewegungen können nicht genau so sein, wie bei einem anderen Menschen, sie sind alle verschieden.
123. Folglich, wenn man jedem Farbe aushändigt und sagt: 'Doch, du kannst malen! Sage dir nicht, dass du nicht malen kannst. Wer hat dir das gesagt? Du kannst malen. Versuch es! Wenn du Gemütsbewegungen äußern willst, versuch es. Versuch es mutiger!' Und alle werden dann ungefähr ein und dasselbe machen, falls sie nicht die Kunst der Darstellung erlernt haben, also irgendwelche Tiefen, irgendwelche Besonderheiten, irgendwelche Gesetze.
124. Und wenn man von irgendeiner akademischen Kunst spricht, so ist das wirklich solch eine Kunst, die mit Titeln 'Professor', 'Akademiker', verdientermaßen bestimmt wird, denn dort braucht man sehr viele Kenntnisse, man muss sie kundig anwenden können.
125. Wenn man einfach Gemütsbewegungen ausschüttet, so ist dies etwas anderes. Das kann jeder Mensch machen, es gelingt ihm immer, seine Gemütsbewegung irgendwie auszudrücken. Nun, auch gut, wunderbar. Möchtest du dies tun – versuch es, mach es.
126. Aber wenn man es irgendwo ausstellen möchte, was bewegt einen dann dazu, was will man... Und hier wäre es gut, dass die Menschen selbst darum bitten, dass man was zu ihnen bringt. Es wäre besser, wenn man sich davon leiten lässt. Ja, es gibt Menschen, die wollen, dass du etwas bringst, es zeigst, sie erleben dadurch irgendeine Freude, irgendeine Erfüllung – so etwas wäre interessanter.
127. Und hier nur wiederum deshalb, weil dich Menschen darum gebeten haben, auch hier muss man aufmerksam sein: um was bitten sie, was rufen deine Bilder bei ihnen hervor, welche Leidenschaften beginnen sie in ihnen hervorzurufen? Vielleicht werden sie durch das Bild erzeugt – ah! Man muntert sich auf, die Haare stehen zu Berge, man ergreift irgendwelche Stöcke und läuft irgendwohin, irgendwas zu kreieren“, lächelte der Lehrer.
128. „Wofür haben sie es denn entgegengenommen? Hier wäre es auch gut, dass man überlegt. Nur die Tatsache, dass irgendeine Anzahl von Menschen gebeten hat, dein Werk zu erleben, heißt nicht auch, dass alles normal ist. Also das heißt, dass man für sein Werk verantwortlich sein soll.
129. Nun, aber etwas gestalten, versuchen, sich auszudrücken, seine Gemütsbewegungen zu äußern – ja, natürlich, dies kann jeder tun, und das ist normal.“
130. „Meine Frage bezieht sich auf die Ausstellung, die Sie uns gezeigt haben. Ich habe sie sehr aufmerksam besichtigt. Und da ich mich mit der Kunst professionell beschäftige, das heißt, ich verdiene durch diesen Beruf meinen Lebensunterhalt, habe ich natürlich sehr aufmerksam die ausgestellten Exponate studiert, und ich als ein Experte kann hier durchaus verantwortungsvoll erklären, dass die Werke auf einem hohen professionellen Niveau gemalt sind.
131. Meine Frage ergibt sich aus dem, was folgt. Da Sie nach bestimmten Gesetzen leben, die Sie selbst für sich dort in der Gemeinschaft festgelegt haben, und da Sie sich mit der Kunst nicht nur professionell beschäftigen, sondern in diese Werke einen gewissen geistigen Sinn hineinlegen, so, warum habe ich hier kein einziges Sujet gesehen, das mit den Themen des Alten oder des Neuen Testaments verbunden ist?“
132. „Warum auf der Ausstellung keine Werke sind, die mit Motiven der Heiligen Schriften zusammenhängen? Nun, dabei handelt es sich nicht um ein prinzipielles Vermeiden dieser Themen. Vielleicht ist irgendein neues Motiv einfach noch nicht reif, das irgendwie interessant ausgedrückt werden könnte, damit etwas, was von vielen Menschen schon mehrmals ausgestaltet worden ist, sich nicht wiederholt, sondern sich vielleicht irgendwie auf besondere Weise, irgendwie auf andere Art mit irgendeiner anderen geistigen Herangehensweise ausdrückt.
133. Aber es gilt wahrscheinlich dafür nur eines, dass ein Motiv im Kopf, im Bewusstsein, in den Gefühlen des Malers entsteht, und dieses Sujet wird ausgedrückt.
134. Ich persönlich habe solche Motive im Kopf, aber sie sind wahrscheinlich irgendwie noch nicht reif dafür, um behandelt zu werden. Ab und zu versuche Ich, da heranzugehen, aber etwas befriedigt mich nicht gänzlich, und diese Idee wird wieder verschoben. Also, es gibt diese Ideen, aber ob sie verwirklicht werden - weiß nicht. Kann auch sein, dass sie realisiert werden...
135. Jetzt einfach, wo Ich angefangen habe, mit Pastellkreide zu arbeiten, habe Ich eine etwas andere Welt entdeckt. Ich habe sie nie berührt, viele Jahre habe ich mit Ölfarbe gearbeitet. Und das, was man in Pastell-Technik sehen konnte, hat mich sogar eher abgeschreckt, denn all dies schien so rostig zu sein, irgendwie leblos... irgendwas sehr Staubiges... Das hat immer irgendwie abschreckend gewirkt.
136. Und vor kurzem kam das Bedürfnis auf, doch mit der Pastellkreide-Technik bekannt zu werden. Und dann, im Erleben, bemerkte Ich etwas, was überhaupt – so kann man sagen – wie ein unbearbeiteter Acker ist, oder eine Nische, die nicht realisiert ist, sie ist sozusagen nicht besetzt.
137. Also dies ist eine Erscheinung in der Kunst, die man sehr ängstlich berührt hat. Einige Werke sind interessant. In der Dresdener Galerie ist es mir gelungen, Pastellwerke zu besichtigen, sie sind interessant. Aber die Dürftigkeit der Pigmente war zu sehen, das heißt die Färbung der Kreiden.
138. Wenn man mit Farbpaste viel auf leichte Weise mischen kann, so ist es unmöglich, die Pastellkreide-Stifte miteinander zu mischen, das ist gar nicht einfach, man kann es verderben. Und darum ist es wünschenswert, dass es Pastellkreide in mehreren Farben gibt, dass sie trocken sind.
139. Und nun lässt die Technologie dies auf dem Markt erscheinen, das heißt, die ziemlich breite Mehrfarbigkeit der Pastellkreiden gibt es schon. Und das hat geholfen, das zu realisieren, was Ich jetzt in eure Stadt bringen konnte, um es zu zeigen. Das, was mir gefallen hat, das, was Mich sehr stark mitgerissen hat, und es eröffnen sich dahinter sehr weite Horizonte.
140. Es ist so, als ob sich irgendeine eigenartige Philosophie anfängt zu eröffnen. Dies ereignet sich so wie mit trockener Erde... ihr nehmt eine Handvoll trockener Erde (so, bildlich) und erschafft das Leben, einfach das Leben – mit dem trockenen Staub, mit dem farbigen Staub. Ihr erschafft Leben, ihr erlaubt einer Substanz zu atmen, ihr ermöglicht, Wasser, Feuchtigkeit, Metall zu werden...
141. Also, beliebige Gegenstände, die ihr in der euch umgebenden Welt zu beobachten gewöhnt seid, könnt ihr einfach aus dem Staub erschaffen. Also, dieses Gefühl, dass ihr erschaffen könnt, also dieses Gefühl, Gott ähnlich zu sein – ist für den Menschen von nicht geringer Bedeutung.
142. Aber die Pastellkreide erfordert einige Begrenzungen; es ist beim Malen mit Pastellkreiden wünschenswert, sich nicht von vielen Details, vielleicht von irgendwelcher Motivvielfalt mitreißen zu lassen. Nun, zumindest glaube Ich das einstweilen so, so, wie ich über dieses Thema denke.
143. Und wenn man die Farbe mit einem großen Orchester vergleicht, wo es sehr viele verschiedene Instrumente gibt, solch eine komplizierte Musik, wo es alle möglichen Töne gibt, so entspricht die Pastellkreide-Technik nur zwei, oder drei Musikinstrumenten.
144. Es handelt sich dabei um so eine Poesie, wo man die Melodie sofort liest, wo es sozusagen keine überflüssigen Geräusche gibt, die wohl auch harmonisch zu sein scheinen, vielleicht in einem großen Orchester, aber es kommt vor, dass es davon zu vieles gibt. Man möchte es einfacher haben – wie eine Flöte. Die Melodie der Flöte tönt, und sie ist auf ihre Weise einzigartig. Wenn man dorthin eine Geige, Trommeln, alle möglichen Blasinstrumente dazugibt, so wird es von all dem schon irgendwie zuviel.
145. Also, in der Ölmalerei kann man vieles machen, aber die Pastellkreide-Malerei organisiert, sie zwingt euch sozusagen, mit wenigen Worten zu erschaffen. Wiederum, noch ein anderes Beispiel aus einem anderen Kunstbereich, so, wenn man die Ölmalerei wie Buchbände betrachten kann, wie Werke, in welchen sehr viele Motive beschrieben sind, so ist das Pastell wie ein Gedicht, das sind einfach kurze Sätze, Aussagen...
146. Japaner lieben es, solche eigenartigen Verse, Tankas, zu gestalten. Es sind wenige Wörter, einige Zeilen. Es scheint nicht so viel beschrieben zu sein, es sind kurze Benennungen von irgendwelchen interessanten Augenblicken im Leben: ein Regenwölkchen... eine Blume öffnet sich... ein Blütenblatt ist herunter gefallen – das ist alles, das Werk ist beendet. Aber schon dadurch wird viel gesagt, es entsteht ein besonderer Hauch, vieles wird dem Dazudenken überlassen. Und es wird sehr verständlich dargelegt.
147. So ist es auch mit der Pastellkreide-Malerei. Hier gibt es etwas, wo man nicht von “Redseligkeit“ mitgerissen werden darf, man muss etwas sehr Wichtiges finden und versuchen, dies irgendwie interessant zu unterstreichen. Das ist also das Thema, welches jetzt anscheinend den Malern bevorsteht zu entwickeln. Ich denke, sie werden sehr begeistert sein, denn dies ist ein wunderbares Phänomen.
148. Wenn man sagt, dass es vorkommt, dass sie nicht langlebig sei, wenn man versucht zu sagen: 'Aber nein, dies ist wahrscheinlich nur von kurzer Dauer' - das sind Dummheiten. Es handelt sich um eine normale, lang anhaltende Erscheinung. Bei allem muss man sich vorsichtig, akkurat verhalten. Die Werke, die man macht, sind langlebig.
149. Natürlich ist vorauszusetzen, dass das Werk mit Glas abzudecken ist, denn Ölmalerei kann auch mit einem Lappen abgewischt werden, man kann Staub wischen, und natürlich soll man hier keinen Staub abwischen, hier würde man sofort das ganze Werk wegwischen. Nun, auch gut, befestigt es akkurat unter einer Glasscheibe, und Staub wird dort nicht hinkommen.
150. Pastellwerke halten sich schon seit dem 19. Jahrhundert: Wunderbare Werke, sie sind so geblieben, so wie sie waren. Sie verändern sich nicht in der Farbe, sie halten sich ausgezeichnet...
151. Es kommt vor, dass religiöse Menschen im Orient mit farbigem Sand irgendein Mandala, ein schönes, sehr kompliziertes Muster gestalten, für das lange gebraucht wird, und sobald es mit anscheinend riesigem Kraftaufwand beendet wurde, wird es einfach weggewischt.
152. Dies ist auch für den Menschen im geistigen Sinne von nicht geringer Bedeutung, damit er dem nicht anhängt und nicht sagt: 'Wäre schön, wenn sich mein Werk für Jahrhunderte halten würde! Wie könnte ich es denn anstellen, dass es nie verdirbt!'
153. So entsteht beim Maler schon irgendeine kranke Idee: Er ist noch nicht zum Maler geworden, aber er möchte schon, dass sich sein Werk für ewig hält. Na, es wird vielleicht auch halten, wird aber irgendwo auf dem Galerielager herumliegen, niemand wird es ans Licht ziehen, und es wird niemandem gezeigt werden. Aber es wird sich halten. Wofür braucht man so ein Werk? Um so etwas soll man sich nicht kümmern.
154. Und zudem noch die Herangehensweise selbst, die - wenn die Finger diesen Staub ins Papier einreiben - den Maler zwingt, seine Körperteilchen im Werk zu belassen. Dies macht das Werk überhaupt sehr reich, dank solcher Teilnahme des Menschen.
155. Es sind nicht einfach die Härchen des Pinselchens, die in der Ölmalerei verbleiben, sondern hier sind Körperteilchen, Gefühlsteilchen verblieben. Sie füllen das Werk bei weitem dichter, das heißt es ist energetisch stärker angefüllt. Und daher hoffe Ich, dass jetzt diesem mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden kann und dass Maler von dieser Vorgehensweise begeistert sein werden.
156. Aber diese Vorgehensweise ist auf ihre Art kompliziert, denn wenn in der Ölmalerei etwas leicht aufs Neue gemalt werden kann, mit anderen Schichten aufs Neue überdeckt werden kann, so ist hier nichts aufs Neue zu überdecken. Ein nicht gelungener Augenblick – das war's, dann muss man das ganze Papier wegwerfen, dann muss man alles aufs Neue beginnen. Dazu sind also ernstes Organisiertsein, Ruhe, Fachkompetenz notwendig.“
157. „Im Lichte von dem, was Sie sagten, ist ein beliebiges Kunstwerk eine Informationsbank, die die geistige Welt des Menschen und seine Umgebung widerspiegelt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Wie verhalten Sie sich zum Kopieren von Kunstwerken? Ist das vielleicht dem Klonen des Menschen ähnlich?
158. „Ich lasse das Kopieren zu, wenn eine Notwendigkeit besteht zu lernen und zu probieren. Aber nur für das Lernen.
159. Es ist natürlich nicht wünschenswert, davon mitgerissen zu werden, denn jeder beliebige Versuch zu kopieren gibt nicht die Informationsbesonderheit wieder, die von dem Meister selbst ins Werk eingelegt wurde. Man kann es äußerlich darstellen, aber dort werden ganz andere Gefühle, ganz andere Energien sein.“
160. „Aber heute wird in großen Mengen kopiert. Diese Ausstellung ist auch Beispiel dafür, wo es ein Original gibt und eine Menge von Kopien verbreitet werden.“
161. „Hier wird aber nur der Wunsch der Menschen berücksichtigt, die zumindest etwas haben möchten...
162. Fotos und Poster, die in diesem Fall gemacht werden, erhalten gewissermaßen die Energie, die im Werk besteht. Ein Foto erhält am ehesten die Energie des Werkes, diese Energie wird auf dem Fotopapier festgehalten. Auf etwas andere Weise, aber immerhin enthalten die Poster auch die Energie; es gibt da nichts Fremdes, einen anderen Menschen gibt es dabei nicht.
163. Wenn der Mensch es möchte – bitte, man kann es nicht verbieten. Jemand hat keine Möglichkeit, sich das Original anzuschaffen, aber ihn begeistert die Idee, was er schon gesehen hat, er möchte es wahrnehmen, und er fragt: 'Wo kann ich es herbekommen? Wie kann ich es bekommen?' Also das hängt nur von den Wünschen ab, davon, was Menschen selbst äußern möchten.
164. Und das Werk selbst kopieren... mit der Möglichkeit von Fotos und Postern wird der Maler nicht genötigt, das Werk wiederum zu erstellen, dies wäre irgendeine sinnlose Arbeit.
165. Denn wenn schon einmal ein Gefühl eingebracht wurde, so ist es sinnlos, die eigene Arbeit zu wiederholen. Es muss etwas anderes sein, das sich davon etwas unterscheidet. Das heißt, der Maler muss irgendwie anders an das Werk herangehen, um wiederum irgendwie Fülle auszuschütten. Sonst, wenn er sein Werk einfach kopiert, ist es schwierig, das zu äußern, womit er angefüllt ist. Dann geht eine Wiederholung vor sich, das Werk ist dann schon leer.
166. Deshalb, um insgesamt gesehen über das Kopieren eines Gemäldes eines Malers zu sprechen, würde Ich nur das Argument zulassen, dass der Maler etwas lernen möchte.
167. Obwohl, in meinem Leben hat mich persönlich immer etwas im Inneren gestört, zu versuchen, eben genau zu kopieren. Ich habe mich bemüht, den Charakter des Werkes zu verstehen, die Herangehensweise, die dort technisch geäußert wurde und zu versuchen, das Eigene mit derselben Herangehensweise zu tun. Das also habe Ich mehr in meinem Selbststudium angewendet...“
168. „Ich möchte fragen, was ist ihre Ideologie? Religion, Philosophie?... Ihre Siedlung wurde im Jahre 1993 gegründet. Wahrscheinlich ist auch Ihre Ideologie ungefähr ebenso alt. Und noch eine Frage: Sie beantworten eine große Menge von globalen Fragen: soziale, wirtschaftliche, ideologische und andere Fragen. Sagen Sie bitte, welche Ausbildung haben Sie genossen, auf welchen Fachhochschulen abgeschlossen?“
169. „Ich habe Mich selbst ausgebildet. Ich habe keine Fachhochschule absolviert. Für Mich reicht das, was Ich sehen, einschätzen kann. Das lässt mich das Nötige verstehen und mit denen teilen, die dies brauchen. So also ist mein Wesen, es ist auf solche Weise aufgebaut.
170. Und was die Ideologie betrifft – ja, die hat mehr religiöse Schattierung. Denn, wenn wir über geistige Entwicklung sprechen, so berühren wir sofort das religiöse Thema. Und es wäre nicht richtig, sozusagen separat zu unterteilen: in das Geistige, in das Religiöse... Das ist nicht richtig. Dies alles ist dasselbe. Wenn wir sagen 'eine geistige Frage' – so ist sie mit dem Religiösen verbunden.
171. Aber eine andere Sache ist es - wenn die Menschen gewohnt sind, religiöse Fragen zu betrachten, die in der Gesellschaft schon auf irgendeine Weise definiert sind. Es gibt eine bestimmte Gewohnheit, es gibt bestimmte Traditionen. Und bisweilen beginnen Traditionen, die existieren, den Menschen schon zu erschrecken, falls er bestrebt ist, irgendwie das Ganze etwas breiter zu betrachten, nicht so, wie es früher diktiert wurde. Und dann beginnt schon das Wort 'Religion' den Menschen zu erschrecken...“
172. „Was propagieren Sie? Die orthodoxen Prinzipien?“
173. „Eigentlich berührt ihr schon nicht mehr das Thema Kunst. Das ist ein sehr ernstes Thema.“
175. „Ja. Das existierende Glaubensbekenntnis – das ist etwas Traditionelles, das, was in der Regel durch den Menschen entstanden ist. Man kann nicht sagen: Der orthodoxe Glaube ist das Neue Testament. Keinesfalls! Das Neue Testament – das sind schon auch Katholiken und Protestanten und andere und noch andere... Das ist alles sozusagen das Neue Testament.
176. Und wodurch unterscheiden sie sich dann? Warum akzeptieren sie einander nicht, so extrem, so unversöhnlich? Denn sie sind da unversöhnlich, wo sie es sich selbst erdacht haben, sie haben viel Überflüssiges selbst erdacht.
177. Also daraus hat man eine Lehre gemacht, was einst eine Frohe Botschaft gewesen ist. Aber niemand hat sie gebeten, das zu tun. Nur der Lehrer sollte lehren, und Er hat den Menschen auch gesagt: 'Nennt euch nicht Lehrer, seid nicht Väter, nicht Schulmeister. Er ist nur der Eine und bei euch; und ihr alle seid Brüder.“
178. Folglich sollten sie die Frohe Botschaft weitertragen, keinen zu etwas zwingen, einfach das über Gott mitteilen, Ihn, Der alle auf die gleiche Weise liebt. Auf die gleiche Weise! Ob Feind oder nicht Feind – Er liebt alle auf die gleiche Weise.
179. Es gibt keine auserwählten Völker. Alle sind Gottes Kinder, Er liebt alle auf die gleiche Weise. Er lässt es ebenso auf den Rechtschaffenen als auf den Nicht-Rechtschaffenen regnen, und die Sonne scheint ebenso gleichermaßen auf alle. Das wurde auch den ersten Jüngern gegeben.
180. Aber es wurde keine Lehre gegeben. Und die Lehre zu geben und zu lehren, wie man seine Feinde, seine Nächsten richtig liebt, wie man richtig in der einen oder anderen Situation sich demütig verhält, was Familienverhältnisse bedeuten... dies ist ein durchaus riesiger Komplex von konkreten Fragen, die sehr genau von den Standpunkten des Gesetzes der Wahrheit aus betrachtet werden müssen und die man unbedingt richtig erfüllen muss. Nicht so, wie es jedem einfällt, sondern wie es der Lehrer sagt. Dies ist sehr wichtig!
181. Deshalb sollte dort einst die Frohe Botschaft gegeben werden, und im Nachhinein, nach einer bestimmten Zeit, sollte die Lehre eröffnet und den Menschen die Wahl gegeben werden: Hier ist die Wahl – ihr könnt euch retten, indem ihr richtig handelt, oder ihr macht es irgendwie anders. Aber das ist schon eure Wahl.“
182. In diesem Augenblick kam ein großer, kräftiger, bärtiger Mann auf den Lehrer zu und reichte dem Lehrer einen Zettel mit höflicher Verbeugung. Vissarion streckte mit vertrauensvollem Lächeln seine Hand vor und nahm den Zettel aus den Händen des unbekannten Menschen. Der Unbekannte schlug plötzlich zweimal heftig auf den Kopf des Lehrers und versuchte, über Ihn herzufallen.
183. Die Männer und die Schüler, die am Treffen anwesend waren, hielten die Entwicklung dieser Situation auf, indem sie den sich kaum kontrollierenden Menschen an seinen Händen von der Bühne zogen...
184. Als der Lehrer in das Haus seines Aufenthaltsortes in Kischinjov zurückkehrte, sahen seine Schüler, dass er schwerlich sprechen konnte. Der zweite Schlag hatte einen Striemen auf dem Hals des Lehrers verursacht. Da hatte ein an Etwas glaubendes Kirchenmitglied versucht, jemand, den einige Besucher des Treffens zuvor bei Kirchenprozessionen mit Kirchenfahnen gesehen hatten, das ertönende Wort des Vaters auf wilde Weise aufzuhalten...
185. Nach dem Tag stand es dem Lehrer bevor, das Treffen in Kiew durchzuführen.