Vadim 1 (bis 1991)

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  Kapitel 2  

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Sergejs Ziehvater Nikolai ~ Seine Halbschwester Irina ~ Erste Erfahrungen mit dem Malen und Zeichnen

1. Im siebenten Jahr geschah ein Ereignis, das die Umsiedlung in das vorgesehene Land bestimmte. Zu dieser Zeit traten die Widersprüche zwischen der Mutter und dem Vater von Sergej stark in Erscheinung.

2. Damals erfuhr Sergej die ersten Blindheitserscheinungen, die bei Menschen aufgrund des Unglaubens an die großartige Wahrheit auftreten.

3. Zum ersten Mal in Seinem jetzigen Leben musste Er das Unglück mit ansehen, das aus dem menschlichen Hochmut entsteht und das zum Bruch des Verhältnisses Seiner Eltern führte.

4. Anatolij blieb in der Stadt Krasnodar, Nadeshda aber folgte mit ihrem Sohn ihrer Schwester Maria, die mit ihrer Familie im sibirischen Land wohnte, im Dorf Schuschenskoje.

5. Eine neue Welt umgab das junge Kind mit ungewohnt kühler Umarmung.

6. Es begann die Periode, in der Er sich während der nächsten sieben Jahre der Stadt näherte, in der die vorbestimmte Erfüllung vonstatten gehen sollte.


7. Während sie im Dorf Schuschenskoje verweilten, erschien jener, der nach Gottes Willen dazu berufen war, Hand in Hand mit Nadeshda durchs weitere Leben zu gehen, Sergej zu beobhuten und alle Freuden und Leiden des Familienlebens zu teilen. Und sein Name war Nikolai.

8. Nach einem halbjährigen Aufenthalt in diesem Dorf zog die Familie in das Dorf Iljitschowo, nicht weit von Schuschenskoje entfernt, wo die Familie vier Jahre verbrachte.


9. In dieser Zeit wurde in der Familie von Nikolai und Nadeshda noch ein kleines Kind namens Irina geboren.

10. Das Leben des verträumten Sergejs, Der sich oft in einer Welt bunter Phantasien aufhielt und weiterhin das Wesen der Umwelt in sich aufnahm, war nun zusätzlich erfüllt von der Sorge um die kleine Schwester.

11. Denn oft musste Er ganze Tage mit ihr allein verbringen, wenn die Eltern zur Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Arbeit weggegangen waren. Und das hatte schon zu jener Zeit begonnen, als Irina erst wenige Monate alt war.

12. Die Fürsorge Sergejs führte zu einem so engen Verhältnis mit der Schwester, dass sie oft nirgendwo einschlafen konnte, außer in den Armen des Bruders.

13. Und als Er einmal, während der Sommerferien, nach Krasnodar fahren wollte, erschienen Tränen in den Augen der kleinen Schwester und sie bat Ihn, doch zu bleiben.

14. Schmerz erschütterte das Herz Sergejs, doch Er setzte mit einem großen Kraftaufwand Seinen Weg fort, denn das Bedürfnis, die geliebte Großmutter wiederzusehen und das Haus Seiner Kindheit zu berühren, war unüberwindbar.


15. Im Sommer 1972 verließ die Familie das Dorf Iljitschowo und siedelte für ein Jahr in die Stadt Krasnodar um,

16. Wonach sie im nächsten Sommer erneut nach Sibirien zurückkehrte, doch diesmal in die Stadt Uschur, wo Sergej in den nächsten zwei Jahren neue Stufen des Verstehens des menschlichen Daseins bewältigte.


17. Während der Zeit Seines Lebens in der Stadt Uschur trat eines Tages eine besondere Gabe in Erscheinung, die einen tiefen Eindruck bei Sergejs Erkenntnis der Außenwelt hinterließ und die ein Vorläufer künftiger schöpferischer Tätigkeiten wurde.

18. In den Jahren Seiner Kindheit war Sein Leben in der Nachbarschaft von Seinem Onkel Viktor, dem jüngeren Bruder Anatolijs verlaufen. Dieser war leidenschaftlich der Kunstmalerei ergeben und auch Sergej hatte sich zeitweilig damit beschäftigt, nach dem Vorbild des Onkels etwas von der Natur abzuzeichnen.

19. Einmal hatte Sergej Seine Oma gezeichnet, wie sie am Herd saß und Kartoffeln schälte.

20. Als die Verwandten die Zeichnung sahen, erkannten sie die ungewöhnliche Reife, die in dieser Arbeit steckte und das für ein Kind untypische Verständnis der Perspektivgesetze.

21. Zu dieser Zeit hatte Sergej das Malen nicht besonders geliebt, diese Fähigkeit war in dem jungen Kind ganz ohne Zutun von außen erschienen.


22. Lange war dem Menschensohn jener Tag in Erinnerung geblieben, als während einer Zeichenstunde im Kindergarten ein Bild vor die Kinder gestellt worden war, das sie abzeichnen sollten.

23. Auf dem Bild war eine weit ausladende Fichte im verschneiten Wald dargestellt, unter ihr lag ein schöner Teppich, auf dem eine geschnitzte Truhe stand mit einem darauf sitzenden Mädchen in einem festlichen Gewand. Durch die Äste der Fichte schien die Sonne hervor.

24. Mit dem Sergej eigenen natürlichen Bedürfnis, sorgfältig zu arbeiten, begann Er an der Zeichnung zu arbeiten und war bestrebt, das Gesehene so genau wie möglich wiederzugeben.

25. Die dafür vorgesehene Zeit reichte Ihm aber nicht aus. Als Er die Zeichnung der Erzieherin übergeben hatte, sah Er im Vorbeigehen die Arbeiten Seiner gleichaltrigen Kameraden und war tief erstaunt, dass die Kinder etwas gezeichnet hatten, was auf dem Bild gar nicht zu sehen war: Aus irgendeinem Grund hatten die Kinder anstelle der ausladenden Fichte kärgliche Stöckchen mit von ihnen abstehenden Nadeln dargestellt.


26. Das genaue und natürliche Verhältnis zum Zeichnen blieb Sergej während der Zeit in der kleinen Stadt Uschur erhalten.

27. Doch dann erlaubte es Ihm ein mehrteiliger Fernsehfilm, mit dem Leben von Leonardo da Vinci in Berührung zu kommen.

28. Ein mächtiges Sakrament berührte damals das Wesen von Sergej. Die Erschütterung war groß.

29. Die Lust zum Zeichnen flammte auf und ein irgendwie besonderes Verhältnis zum Schaffen in dieser Sphäre trat in Erscheinung.

30. Es war das Empfinden eines inneren Erwachens einer mächtigen Erfahrung, und es schien Sergej so, als bräuchte Er nur den Bleistift zu nehmen, und sogleich würden unter Seinen Händen lebendige Linien auf dem Papier entstehen, von der Hand eines erfahrenen Meisters geschaffen.

31. Doch als Er den Bleistift nahm, wurde Sergej die entstandene Erscheinung genau bewusst: Sein Körper und Bewusstsein hatten bei weitem nicht die Erfahrung, die irgendwo in Ihm klang.

32. Unterstützung und Hilfe wurde Ihm jedoch nicht zuteil. Kein Lehrer kreuzte Seinen Weg und das schöpferische Feuer erlosch bald wieder.


33. Raue, kalte Momente berührten immer öfter die innere Welt des immer reifer werdenden Sergej,

34. Jene Welt, die weiterhin vom Aufflammen der wunderbarsten Phantasien und Träume erleuchtet wurde, worin sich der junge Menschensohn lange badete und die notwendige Kraft schöpfte, die half, die Hürden der groben Umwelt zu meistern.

35. Wie schwer ist der Weg, wenn die Umwelt vom Menschensohn im Verlauf von sieben Lebensjahren im Körper ständig als ungemütlich und fremd wahrgenommen wird. Doch das war der Wille des Himmlischen Vaters.