Brief des Lehrers an einen Unschlüssigen ~ Über das Schicksal Russlands, über Licht und Finsternis
1. In Minusinsk wurde Vissarion sehnsüchtig von Seiner Frau und den Kindern erwartet.
2. Und ein Brief von Aleksej wartete auf Ihn, ein alter Kamerad, der versuchte, sich vom Sumpf der Geschäftigkeit und des Unglaubens loszureißen und der danach strebte, sein Leben der Vollziehung zu weihen.
3. Und der Lehrer antwortete Aleksej und vielen Kindern Gottes, die an der Schwelle des entschlossenen Schrittes stehen geblieben waren: "Friede sei mit euch, Kinder des allmächtigen Vaters!
4. Ich höre den kummervollen Klang ausbrechender Herzen.
5. Ich höre das Aufstöhnen Einsamer in der Wüste der großen Masse.
6. Umso mehr das Meines Herzens. Und umso mehr des Höchsten Vaters.
7. Das Vogeljunge zerbricht selbst von innen die äußere Schale und das Ausbreiten der Flügel lässt nicht auf sich warten.
8. Doch was für einen Wert hat das Vogeljunge des Adlers, des großartigen Vogels, wenn ein Außenstehender die Schale zerbricht?
9. Der gemachte Schritt bestimmt den nächsten.
10. Ein Gespräch über den Horizont, solange die Füße Wurzeln geschlagen haben - ist umsonst erschütterter Raum.
11. Doch die Wurzeln werden mit fester Hand abgeschlagen, und der Schmerz ist unausbleiblich.
12. Und es sollen jene in freier Aufwallung zur Sonne streben, die auf der Opferbank gefüttert werden.
13. Denn lohnt es sich, über die Rettung der Welt zu reden, wenn es zu kleinlichen Tränen führt.
14. Fehlerhaft im Kleinen - ist auch fehlerhaft im Großen!
15. Möge dein Vorwärtsschreiten entschlossen sein!
16. Ist es notwendig über die Zeit zu fragen, wenn das Wort selbst auf der Erde verweilt?
17. Das Feuer lässt viele Funken sprühen. Wo jeder Funke Wärme und Licht bringt.
18. Betrachte nicht die Steine, die versuchen, die wärmende Quelle zu verdecken.
19. Glaube und Zeit - sind eine mächtige Kraft!
20. Das Wasser aus der Quelle - die Zeit führt zum Flug in den Himmel.
21. Den Stein aber wird die Zeit zu Staub zermalmen.
22. So nimm denn überzeugter deinen Platz in den Reihen des Lichtes ein! Entschließe dich!
23. Es ist äußerst wichtig, dass du mehr mit der Vollziehung in Berührung kommst. Weshalb Ich mit Verlangen erwarte, deine Hand zu berühren.
24. Ich schreibe diesen Brief vor der Stunde neuer Wege durch die Städte am Wolgafluss.
25. Und Ich werde um den Zwanzigsten am alten Ort sein. Dir aber bleibt der entschlossene Schritt!"
26. Und dieser Brief wurde am 1. Juni 1993 geschrieben.
27. Am nächsten Tag aber waren sie schon in Nishni Nowgorod. Nach vier Stunden Fahrt mit dem Auto waren sie aus Moskau kommend in der alten Wolgastadt angekommen.
28. Am Steuer des Autos saß Dimitrij, der Sohn von Valentina aus Medwedkowo. Und außerdem waren mit dem Lehrer auf der langen Fahrt durch die Wolgastädte Vadim und Wladimir der Jakute.
29. In Nishni Nowgorod verblieben sie zwei Tage und es erklangen zwei Ansprachen: im Schauspieltheater und im Theater für Oper und Ballett.
30. Und nach der Zusammenkunft des zweiten Tages war es abends spät geworden, fast Nacht. Hinter dem Fenster - der volle, sorgenvolle Mond in Erwartung seiner Verdunklung.
31. Die Reisenden gedachten schon, sich schlafen zu legen, denn morgen stand ein weiter Weg nach Uljanowsk bevor ... Als das Telefon unerwartet scharf läutete.
32. Sweta, eine junge Frau, die dem Menschensohn in ihrer Wohnung Quartier bot, hob nervös den Hörer ab. Sie hatte diesen Anruf erwartet.
33. "Das ist Oleg", wandte sie sich an die Gäste und hielt mit der Hand den Hörer zu. "Vissarion, Sie müssen mit ihm reden. Das wird ein ungewöhnliches Gespräch ... Aber es ist bereits spät. Sind Sie einverstanden, wenn er kommt?"
34. "Nun gut, wenn er will, so soll er kommen", antwortete Vissarion. "Doch dieses Gespräch wird in vielem für dich sein. Er hat sein Schicksal entschieden. Du aber wirst wählen müssen."
35. Sweta sagte in den Hörer: "Oleg, komm. Man erwartet dich!"
36. Nach fünf Minuten kam Oleg - ein junger Mann um die dreißig, schwarze Haare, schwarzer Bart, kleine, sich dicht an der Nasenwurzel befindende Augen, eine große, gerade Nase und eine ungewöhnliche Brille mit grauen Gläsern.
37. Als Oleg die zum Händedruck ausgestreckte Hand Wladimirs sah, schüttelte er ablehnend den Kopf und reichte seine Hand nicht. Er war nervös, das Treffen beunruhigte ihn.
38. "Einen Mond haben wir heute, wie er aufputscht", sagte Oleg. "Wenn ihr nichts dagegen habt, lasse ich die Brille auf. So bin ich es gewöhnt." Und er setzte sich an das abgelegene Ende des Tisches, fast Vissarion gegenüber.
39. "Ja ... Nun haben wir uns getroffen", fuhr Oleg fort. "Den ganzen Abend heute habe ich nachgedacht: soll ich gehen oder nicht. Im Endeffekt sitze ich nun mit Ihnen an einem Tisch ... Ich hätte nicht gedacht, dass das geschehen würde. Wir sind schließlich - Feinde ...
40. Vissarion, wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich mich mit 'Du' an Sie richten. So ist es richtiger. Doch wenn Sie dagegen sind, werde ich mich an Sie wenden, wie Sie möchten."
41. Vissarion nickte mit dem Kopf.
42. Oleg führte das Gespräch weiter und las dabei eine auf dem Tisch verbliebene Brotkrume mit den Fingern auf: "Armes Russland ... Freie Wahl ... Die Zeit aber läuft davon ... Ich rede ein wenig ... Nur so, ins Leere, in die Luft ... Der Mond aber drückt heute und presst die Emotionen der Unvernünftigen zusammen. Ein kalter Vollmond. Schließlich ist morgen seine Finsternis ...
43. Vissarion, Dich sehe ich zum ersten Mal. Und so etwas wie Dich sehe ich zum ersten Mal. Hinter Dir steht Kraft ... Auch hinter mir steht sie, aber eine andere. Ich wollte sagen: mir ist egal, was ihr über mich denkt. All diese Gefühle sind bereits in der weit zurückliegenden Vergangenheit."
44. "Das ist doch nicht die Wahrheit! Warum kommen Sie dann und sprechen über sich?", schaltete sich Vadim in das Gespräch ein.
45. "Um den Gegner näher kennen zu lernen. Mir wäre es interessant, mich auch mit euch zu unterhalten", wandte er sich an die Schüler. "Doch die Zeit reicht nicht ...
46. Vissarion aber, Jener, Dem ihr folgt, Er ist - etwas anderes. Er ist - aus einem anderen Leben. Euch kann man noch zurückholen. Erwacht! Es wäre besser mehr mit Frauen zusammen zu sein, fröhlich zu sein, ein natürliches, gesundes Leben zu führen.
47. Nun ja ... Russland, Russland ... Freie Wahl - eine großartige Gegebenheit. Ich werde heute nicht viele schwere, schwierige Worte sagen. Es ist nicht der Moment! Ich versuche einfacher und natürlicher zu sein ...
48. Wählen aber müssen alle. Doch die Wahl ist nicht groß: entweder hier, oder dort.
49. Und das Herz? Wo ist es? In Schmutz und Lastern?! Kann man sich auf etwas verlassen, das im Schmutz versunken ist? Nein! Nur der Verstand kann einem raten. Der kalte und genaue Verstand.
50. Das Ende der Welt hätte man abwehren können ... Doch nun ist es bereits zu spät. Der Krieg hat begonnen. Die 'Offenbarung' hat zu funktionieren begonnen und wir werden uns noch öfter sehen. Nicht wahr?"
51. "So ist es! Der Kampf hat begonnen ... Und du weißt ja, wie er ausgehen wird", antwortete Vissarion.
52. Oleg lächelte. Er nahm die Brille ab und legte sie zur Seite. "Und das Schicksal Russlands? Wird es auferstehen? Wie denkst Du?"
53. "Unbedingt!", antwortete der Lehrer.
54. "So seltsam es ist, Du möchtest für Russland das Wohl", fuhr Oleg fort. "Solange der Kern der Sache unklar ist, wird man Dir folgen. Doch es werden wenige sein.
55. Jener, der sagt, dass zwei und zwei gleich vier ist und nicht fünf, wie viele bisher dachten, und es überzeugend zeigt - wird zum Anführer werden ... Doch man kann in verschiedene Richtungen führen ..."
56. In das Gespräch der beiden schaltete sich Sweta, die Hauswirtin, ein: "Vissarion, was sagen Sie über die 'Weiße Bruderschaft' und über Maria Devi" (so nannte sich die Anführerin der Kiewer "Weißen Bruderschaft" - Anm. d. Übers.)? Warum haben Sie ein schlechtes Verhältnis zu ihnen?"
57. "Ich habe zu allen ein gutes Verhältnis. Das sind schließlich eure unglücklichen Brüder."
58. Oleg lächelte: "Sweta, sei still. Habe Geduld ... Die 'Weiße Bruderschaft' - das ist ein Kinderspiel für Dumme, die durch ihre Krankheit Vissarion noch mehr hervorheben, Ihm in die Hand spielen ...
59. Ja und dieser Typ in Moskau, der zum Höchsten Rat kriecht - das sind - Kleinigkeiten, kleine Wellen auf der Oberfläche."
60. "Und das 'Zentrum der Gottesmutter'?", fragte Sweta.
61. "Ein ebensolcher Kontakt mit der außerirdischen Welt", antwortete Vissarion.
62. "Hier bin ich nicht einverstanden. Das ist etwas anderes. Das ist nicht das gleiche", sagte Oleg. "Obwohl ich von Johann aus dem Zentrum der Gottesmutter ausgeschlossen wurde, ist mein Geist dort. Jetzt bin ich zurückhaltender und geduldiger geworden. Bin ein anderer geworden."
63. "Wie es einem Krieger geziemt", warf Vissarion ein.
64. "Danke", lächelte kaum sichtbar Oleg. "Wie liebenswert doch Feinde miteinander sprechen können."
65. "Warum Feinde? Gegen wen willst du denn kämpfen?", fragte Vadim.
66. "Gegen Jenen, Den ihr den Herrn nennt, Jenen, Den ihr den Vater nennt. Denn der, den ich den Vater nenne, ist für euch ein anderes ... Deshalb wird uns der Kampf scheiden."
67. Und er wandte sich an Vissarion: "Nun, ich habe geredet. Einfach so, über nichts ... Jetzt rede Du!"
68. "Ich bin gekommen, um mit jenen zu reden, die Mich erwartet haben, denn Ich bringe ihnen das Lebenswasser und sie werden es trinken. Und sie werden niemals wieder durstig sein."
69. Sweta beteiligte sich wieder am Gespräch: "Vissarion, warum unterscheiden Sie Luzifer vom Satan? Ich glaube nicht an Kontakte mit außerirdischen Zivilisationen und nicht an ihre Existenz."
70. "Das ist deine Sache. Die außerirdische Welt wird deshalb nicht verschwinden. Das ist wie ein Schrank, der hinter deinem Rücken steht! Ob du daran glaubst oder nicht - der Schrank steht trotzdem dort."
71. "Aber der Schrank - ist schließlich auch eine Illusion", sagte Sweta.
72. "Nenn es, wie du willst. Doch diese 'Illusion' kann umfallen und dich zerquetschen."
73. Oleg lächelte breit: "Sweta, Er hat Recht. Warum mischst du dich nur in diese Gespräche ein? Luzifer - das sind hochentwickelte außerirdische Geister, der Satan aber - ein irdisches Wesen. Du solltest lieber deine zügellosen Kinder erziehen!"
74. Sweta fuhr zusammen: "Ihr seid Einer Meinung! Mir ist bange ... Ihr benutzt oft ein und dieselben Worte."
75. Und Vissarion sagte: "Was den Verstand betrifft, gibt es wenig Unterschied zwischen der Finsternis und dem Licht. Und über die Wahrheit des Daseins können sie mit den gleichen Worten reden. Und wenn vor dir ein Tisch steht, so sagt dir das Licht und die Finsternis, dass das ein Tisch ist.
76. Der Unterschied ist in etwas anderem: Das Licht hat ein Herz, die Finsternis aber nicht. Und jeder ruft zu sich auf seine Weise: Die einen - vom Herzen, die anderen - von seinen Nichtbesitz.
77. So dass du wählen musst. Heute entscheidet sich dein Schicksal. Und das ganze Gespräch - ist für dich."
78. "Ich will nicht wählen. Ich will allein leben. Das Leben mit meinem Verstand erkennen."
79. "So etwas gibt es nicht. Entweder du nimmst die Hand des Vaters, oder dich führt ein anderer Ursprung.
80. Man muss zu leben beginnen, indem man das Gesetz einhält, und sich nicht mit leerem Gerede beschäftigen.
81. Wer reines Nass trinkt, wird selbst reines Wasser werden!"
82. "Er hat wieder Recht. Man muss wählen. Du aber bist nirgends. Und in deinem Kopf herrscht ein leeres, begrenztes Geschwätz", sagte Oleg.
83. Er wandte sich an die Schüler und fügte hinzu: "Sie aber, obwohl sie auf ihren Tod zugehen, so gehen sie wenigstens, und das ist - wenigstens irgendein Leben ....
84. Übrigens, ich rede heute auch viel ... Und ich möchte nicht eure Aufmerksamkeit missbrauchen. Es ist bereits Nacht ... Und das Gespräch hat stattgefunden ... Ob wir uns noch begegnen werden?"
85. "Alle Wege führen zur Ebene bei der Alten Stadt", sagte der Lehrer leise.
86. "Nun ja", lächelte Oleg. "Er weiß alles!"