Vadim 3

«

  Kapitel 15  

»

Sergej, der zukünftige Priester, begegnet Vissarion zum ersten Mal

1. Immer mehr Zeit verbrachte Vissarion in Minusinsk im Gespräch mit Leuten, die zu Ihm kamen, um ihr Leben zu entscheiden.

2. Die Gemeinschaft wuchs, es wuchs auch die Zahl der Dörfer, in denen die Kinder Gottes mit Herzen, die zur Wahrheit strebten, zu leben begannen.

3. Die Gemeinschaft begann zu arbeiten, langsam und mit Fehlern, doch mit dem wahren Bestreben, die aufgetretenen Schwächen und Laster zu überwinden.


4. Und in diesen gehaltvollen Herbsttagen kam in die Gemeinschaft ein Ältester namens Sergej - ein Armeewissenschaftler, Hochschullehrer, Oberst der russischen Armee, ein organisierter und disziplinierter Mensch, der mit der Botschaft über die Vollziehung viele russische Städte bereist hatte, und zusammen mit Brüdern und Schwestern in der russischen Hauptstadt ein Zentrum des Einheitlichen Glaubens geschaffen hatte.

5. Das Leben Sergejs war, wie er Vadim erzählte, von der Jugend bis zum heutigen Tag angefüllt gewesen mit einem regen Interesse am Unbekannten.

6. Einst, im Alter von 16 Jahren, hatte er an einem frostigen Winterabend verzaubert die glänzenden Sterne am Himmel betrachtet. Dabei war ihm plötzlich bewusst geworden, dass die Menschheit ein riesiger Garten sein müsse, der das Weltall mit dem feinen Aroma anfüllen müsse, das aus den menschlichen Herzen dringe, und dass das Weltall den Menschen sehr benötige und darauf warte, dass er ihm seinen Segen schenken könne ...

7. Während seines Lebens hatte sich Sergej mit den geistigen und philosophischen Grundlagen aller Hochreligionen vertraut gemacht.

8. Und in praktisch allen Schulen und religiösen Traditionen hatte ihm der Herr bewilligt, das Verborgene zu berühren: das nicht wiederzugebende Gefühl der Einheit mit dem Höchsten zu empfinden.

9. Und er war zu dem Schluss gekommen, dass Gott ein Einziger sei und alle Religionen zu Ihm führten. Doch warum gab es so viele verschiedene Deutungen vom Wesen der Wahrheit?

10. Am Morgen des 18. August 1991 war er zum Bahnhof gegangen um die Familie, die aus dem Urlaub kam, abzuholen und als er von der Verspätung des Zuges erfahren hatte, hörte er plötzlich Glockenläuten. Die Beine hatten ihn von alleine zur Kirche getragen.

11. In der Kirche war gerade ein Gottesdienst abgehalten worden, es war "Jablotschny Spas". Sein Herz hatte sich bebend zusammengezogen und ihn zur Ikone von Serafim Sarovskij geführt.

12. Und hier war Sergej vom Gefühl der außergewöhnlichen Bedeutung des Vonstattengehenden erfüllt worden, als würde der Heilige ihm etwas äußerst Wichtiges sagen, doch Sergej hatte nichts verstanden.

13. Seine Seele erfüllte sich mit seliger Kraft. Und er war auf die Knie gefallen und Tränen waren aus seinen Augen geströmt.

14. Sergej hatte das Zeitgefühl verloren, sah nichts um sich und hatte sich ganz dem vollziehenden Sakrament hingegeben.

15. Damals hatte er den Sinn des Geschehens nicht verstehen können und erst später hat er erfahren, dass genau an diesem Tag die Vollziehung begonnen hatte ...


16. Und schließlich war es an einem kalten Wintermorgen auf dem Roten Platz in Moskau zur ersten Begegnung mit dem Lehrer gekommen. Eine große Menschenmenge hatte sich wie zufällig angesammelt.

17. Ein junger Mann in einem alten Pelzmantel ohne Mütze hatte sich an die Versammelten gewandt mit den Worten: "Leute! Ich muss euch etwas sehr Wichtiges von dem Mich aussendenden Himmlischen Vater sagen! ..."

18. Schon bei den ersten Worten hatte er ein Erbeben des Herzens verspürt, das freudige Gefühl des Erkennens der Wahrheit. Die Menschen hatten sich zum Überbringer der Botschaft hingezogen gefühlt.

19. Dann hatte jemand gesagt: "Was stehen wir hier in der Kälte? Gehen wir doch in die Kirche!"

20. Es stellte sich heraus, dass die nicht mehr benützte, gewöhnlich geschlossene alte Kirche nun geöffnet war.

21. Und die Menschen waren hineingegangen und der Lehrer war mit Seinem Wort unter dem altertümlichen Gewölbe fortgefahren.

22. Das Gehörte hatte Sergejs Verstand erschüttert und seine Seele zum Überfließen gebracht. In einigen neuen Schlüsselwahrheiten war in einem ganzen Weltanschauungsbild die große Wissensmenge versammelt gewesen, die Sergej bei der Erfassung verschiedener Religionen und geistiger Lehren erhalten hatte. Alles war in einem Bild zusammengefasst gewesen, wodurch alles verständlich geworden war und die Widersprüche verschwunden waren.

23. Doch in Sergej war nun eine riesige Bestürzung gewesen, der quälende Prozess des Erkennens. Wer ist Er, Der das Licht der großartigen Wahrheit bringt?!

24. Und dann, im Moment der Segnung, als der Lehrer Seine Hände über die Zuhörer ausgestreckt hatte, hatte der Herr Sergej erlaubt, Seine Herrlichkeit zu erkennen, die durch den Sohn hinuntergesandt worden war.

25. Ein mächtiger gold-himmelblauer Strom, fein und duftend, war aus dem Himmel über den Lehrer gekommen und durch Ihn zu den Menschen gedrungen und hatte ihre Herzen mit Rührung und Freude, Segen und Liebe erfüllt.

26. Und das war eben jene wunderbare Segenskraft gewesen, die Kraft des Heiligen Geistes, die bei der Ausführung von Ritualen in den traditionellen Religionen, die Sergej früher berühren konnte, in einem dünnen Strahl in die Seele geronnen war.

27. Was dort Bächlein gewesen waren, war hier aber ein mächtiger Strom! Und seine Seele war zum Erlöser gestürmt! ...

28. Und es hatte die Zeit der Überbringung der Botschaft begonnen.

29. Eines Tages aber hatte er den Ruf des Vaters gehört: "Hier ist dein Werk beendet, es ist Zeit für das Geheiligte Land!"

30. Und es war die Zeit vieler Tätigkeiten gekommen, schwerer und freudiger. Es war die Zeit des Aufbaus der Gemeinschaft gekommen ...


31. Ein Fluss von Weisheiten aber strömte aus dem Mund des Menschensohnes in den täglichen Zusammentreffen mit den zu Ihm Kommenden.

32. Und in den Tagen des Herbstes und Winterbeginns wurden viele Wahrheiten über das menschliche Dasein gesagt. Hier einige Krumen davon:

33. "Mit der menschlichen Sprache kann man die Herrlichkeit des Vaters nicht vergrößern.

34. Die Herrlichkeit des Vaters preist man nur durch Arbeit zum gegenseitigen Wohle!"


35. "Wenn ein Mensch möchte, doch nicht kann - so ist er ein Bedürftiger.

36. Wenn ein Mensch kann, aber nicht möchte - ist er ein Träger der Versuchung."


37. "Man darf im Namen des Untergangs nichts opfern, man kann nur im Namen der Entwicklung etwas opfern."


38. "Eure Freiheit, das ist die Freiheit die beste Lösung zu finden, um das zu geben, was man geben muss."


39. "Wenn ihr Empörung über wenigstens einen eurer Millionen Mitbrüder empfindet, so wisset: Ihr empfindet Empörung über den Vater."


40. "Gegen seinen Willen darf man einen Menschen nicht retten, doch man muss ihn retten."


41. "Liebt euren gefallenen Bruder, nicht aber seine bösen Taten."


42. "Wenn ihr die Schwäche des Nächsten unterstreicht, im Wunsch euch über ihn zu erheben, so deutet ihr auf die Schwäche eurer eigenen Seele hin!"


43. "Das, was dein ist, gib unendlich hin; dein Wesen aber ist die Seele, so verströme denn ihre Wärme unendlich!

44. Was der Natur gehört, obliegt ihren Gesetzen - verstehe zu nehmen, indem du sie einhältst."


45. Ein Mann, der zum ersten Mal in die Gemeinschaft gekommen war, ging zum Lehrer mit den Worten: "Ich habe einige Tage in der Gemeinschaft verbracht und wollte Wärme bei meinen Brüdern finden, bin jedoch auf Kälte gestoßen."

46. "Das weniger Warme erscheint immer wie Kälte im Vergleich zum Wärmeren. Doch das scheint nur so.

47. Denn das weniger Warme wird immer von einer Wärmequelle angezogen, bestrebt, die unzureichende Wärme zu bekommen."


48. "Reinigt zuerst eure Herzen, dann überbringt mit eurem Mund die Wahrheit."


49. "Wenn ihr das Kleinere überspringt, werdet ihr das Größere nicht sehen."


50. "Wenn Quellwasser in ein Gefäß mit Sumpfwasser fließt, so wird nur die Zeit über das Anfüllen des Gefäßes mit sauberem Wasser entscheiden."


51. "Wenn du aufrichtig zum Wohle handelst, doch diese Handlung sich als ein Fehler herausstellt, so denke daran: Das war der richtige Schritt, der es erlaubt, Größeres zu schaffen."


52. "Als ich Deine Ansprache gehört habe, habe ich Dich geliebt. Jetzt, wo ich Dich vor mir sehe, empfinde ich nichts", sagte eine Frau, die aus Moskau gekommen war. "Ich wollte eine Bestätigung ... Ich möchte etwas sehen, etwas fühlen."

53. "Fühlt denn der Mensch Gott, Der immer bei ihm ist und auf Sein Kind lebensspendende Kraft ausgießt?

54. Du möchtest das Unendliche umarmen, das Unerkennbare erkennen. Du möchtest das, was die Freie Wahl verletzt.

55. Doch ohne dieses Gesetz gibt es keine Entwicklung. So dass am Anfang - die Suche und die Arbeit steht, und erst danach - das Bewusstwerden", antwortete der Lehrer.


56. "Glaube wird dort bestimmt, wo eine Grube ist, und nicht dort, wo sich der Wellenkamm in glänzenden Sonnenstrahlen badet."


57. "In der Wärme wachsen nicht nur wunderbare Pflanzen, sondern auch giftige Früchte - das Wesen ihrer Wurzeln ist bei allen gleich."


58. "Vielfarbigkeit - das bedeutet noch nicht Harmonie. Zwei Farben können ausreichen, um das Harmonische zu empfinden."


59. "Vergeben Sie mir, ich mache alles falsch", wandte sich eine junge Frau namens Natascha an den Lehrer.

60. "Alle tun das Falsche", antwortete der Lehrer. "Deine Vergebung liegt in deinen Händen."

61. "Doch ich kann nichts zu Ende bringen, nicht eine Tätigkeit", sagte Natascha.

62. "Beende weiterhin! Zu beenden und beendet zu haben - das ist nicht ein und dasselbe. Man muss nach Überwindung streben!"